Retrospektive

Klaus Maria Brandauer: Der Filmstar mit Mut zu sich selbst

Seelenkunst: Klaus Maria Brandauer (hier mit Marika Green) als junger Komponist in der Verfilmung von Schnitzlers Novelle „Der Weg ins Freie“. Regie führte seine Frau, Karin Brandauer.
Seelenkunst: Klaus Maria Brandauer (hier mit Marika Green) als junger Komponist in der Verfilmung von Schnitzlers Novelle „Der Weg ins Freie“. Regie führte seine Frau, Karin Brandauer.(c) Filmarchiv Austria
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Eine Retrospektive im Filmarchiv würdigt den Publikumsliebling, der auch im Kino mit seiner Persönlichkeit punktete. Das wurde nicht immer geschätzt.

Beinahe wäre es nichts geworden mit Klaus Maria Brandauers Mitwirkung bei „Jenseits von Afrika“ von Sydney Pollack 1985. An der Seite von Robert Redford und Meryl Streep spielte KMB den deutschen Baron Bror von Blixen-Finecke, der seine Schriftstellergattin Karen betrügt und, was noch schlimmer ist, mit Syphilis ansteckt. Diese Rolle fand Brandauers Mama unpassend für ihren Sohn, wie dieser in einem Interview bekannte. Er spielte den Baron dann trotz allem, sah darüber hinweg, dass der schöne Helmut Berger ursprünglich für die Figur vorgesehen war. Und Brandauer erhielt als bester Nebendarsteller einen Golden Globe, eine Sensation für einen österreichischen Schauspieler.

1983 war der Wiener Theaterstar gar als Bösewicht in „Sag niemals nie“ an der Seite von Sean Connery zu sehen gewesen. In der Heimat freilich wurde die internationale Karriere eines Burgschauspielers eher argwöhnisch beäugt. Manche wurden richtig böse: „Kläuschen aus Altaussee“, schrieb die Publizistin Sigrid Löffler und spottete über Brandauers mangelnde Coolness bei Interviews. Ja, aber so ist er eben, der KMB. Und das ist auch eine Qualität, wie man an seinen Filmen sieht, denen das Filmarchiv Austria von 15. Jänner bis 5. Februar eine Retrospektive widmet. Brandauer schlüpft in ganz verschiedene Rollen, aber ob Hamlet oder Rembrandt, er bleibt auch immer ganz er selbst. Er steht mitten drin in seinen Figuren, er füllt sie aus, mit der Dramatik des Theatermenschen, der gewöhnt ist, dass er selbst das Publikum packen muss, nicht eine Kamera oder ein Regisseur. Auf diese Art sind einige tolle und viele ansehnliche Filme entstanden, die KMB-Fans immer wieder erfreuen.

Die weiße Maske des „Mephisto“

Einen Schwerpunkt bildet die NS-Zeit, die für den bald 80-jährigen Brandauer noch eine sehr direkte und bedrohliche Nähe hat. 1981 begründete „Mephisto“ in der Regie von István Szabó nach einem Roman von Klaus Mann seine Filmkarriere: Die weiße Maske des „Mephisto“ Gustaf Gründgens, mit dessen Anpassung an den Nationalsozialismus einer der Söhne des Emigranten und Nobelpreisträgers Thomas Mann zornig abrechnet, wurde zum Symbol einer Vergangenheitsbewältigung, die damals erst begann (und später von Thomas Bernhard am Theater angefacht wurde). „Wo wäre ich gestanden?“, fragte sich das Publikum, wenn Brandauer, der das Gründgens-Alter-Ego Hendrik Höfgen spielte, davon sprach, dass er nicht ins Exil gehen könne, weil seine Heimat die deutsche Sprache sei.

1988 spielte Brandauer den Seher Hanussen, den die Nazis ermorden ließen. Auf YouTube kann man eine beklemmende zentrale Szene aus dem Film sehen, in dem Hanussen die schrecklichen Folgen von Hyperinflation und Wirtschaftskrise auf die Menschen beschreibt. 1989 drehte Brandauer „Georg Elser – Einer aus Deutschland“ und überzeugte selbst als Kunstschreiner, der 1939 im Münchner Bürgerbräukeller versuchte, Hitler und die NS-Führung mit einer Bombe zu töten. Acht Menschen starben, 57 wurden verletzt, davon 15 schwer. Hitler hatte das Gebäude vor der Explosion verlassen. Elser wurde verhaftet und 1945 ermordet. Es ist faszinierend zu beobachten, wie Brandauer sich diesen bedächtigen Handwerker, der unbeirrt seinen Weg verfolgt, einverleibte. Elser war auch deswegen ein großes Thema bei der Vergangenheitsbewältigung, weil immer wieder gefragt wurde: Was wäre uns erspart geblieben, wenn Elsers Attentat erfolgreich gewesen wäre? „Elser – Er hätte die Welt verändert“ hieß 2015 ein Spielfilm von Oliver Hirschbiegel.

Das Rasen des Oberst Redl

Mit der ihm eigenen Energie verkörperte Brandauer auch den Oberst Redl, erneut in der Regie von István Szabó. Der Film beginnt in einer der strengen k. u. k. Militärschulen, wo bereits Kinder auf eine Soldatenlaufbahn vorbereitet werden. Alfred Redl stammte aus ärmlichen Verhältnissen, entfaltete großen Ehrgeiz und wurde Offizier. Er verriet militärische Geheimnisse der Monarchie an Russland, Italien, Frankreich, wurde enttarnt und beging Selbstmord. Wie Brandauer als Redl am Schluss des Films hin und her rast und sich lang nicht entschließen kann, die Waffe gegen sich selbst zu richten, das ist eine der stärksten Szenen. Brandauer selbst meinte im Interview, dass der Redl (ein Stück über ihn war bei den Festspielen in Reichenau zu sehen) eine seiner Lieblingsrollen gewesen sei.

Die Tricks eines alten Boxers

KMB probierte im Kino aber auch ihm eher fern Liegendes, er spielte 1986 in „Streets of Gold“ einen Boxchampion, der auf seine alten Tage jungen Talenten seine Tricks beibringt. „Es ist ein Wunder, dass niemand zuvor darüber nachgedacht hat, Brandauer als Boxer zu besetzen“, schrieb die „Washington Post“. Mit Kollegen wie Ulrich Mühe, Armin Mueller-Stahl, Corinna Kirchhoff und Andrea Jonasson war Brandauer in Bernhard Wickis Verfilmung von Joseph Roths Spionageroman „Das Spinnennetz“ zu sehen.

Erneut selbst Regie führte KMB in der Verfilmung von Thomas Manns Novelle „Mario und der Zauberer“. Sie zeigt die aufgeheizte politische Atmosphäre im faschistischen Italien, Brandauer spielt den diabolischen Zauberer. Eine etwas gewagte Verfremdung stellt „Rembrandt“ von Charles Matton dar, Brandauer zeigt den Malerfürsten als lebensfrohen Selbstdarsteller. Ein berührendes Spätwerk ist „Die Auslöschung“ von Nikolaus Leytner mit Brandauer als altem Mann, der an Alzheimer leidet, und Martina Gedeck als seiner späten großen Liebe. Grantig, unberechenbar, zwielichtig kann er sein, der KMB, so zartfühlend und warmherzig wie hier ist er selten zu erleben.

Metro Kinokulturhaus: „Klaus Maria Brandauer – Eine Hommage“. Sie beginnt am 15. Jänner mit „Mephisto“ (in Anwesenheit von Brandauer und Regisseur István Szabó) und dauert bis 5. Februar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2020)

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