Umwelt

Versiegelung: Wie Gemeinden Böden „g'scheit“ nutzen

Der Verein LandLuft sucht, neben spannender Architektur am Land, vor allem Orte mit nachhaltiger Raumplanung.
Der Verein LandLuft sucht, neben spannender Architektur am Land, vor allem Orte mit nachhaltiger Raumplanung.(c) Florian Aicher
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Das Problem Flächenverbrauch ist in aller Munde – aber was lässt sich dagegen tun?

Wien. Österreich ist Europameister, wenn es darum geht, Landschaft und Böden zu verbauen. Die Flächeninanspruchnahme liegt derzeit – wie in den vergangenen drei Jahren – bei 11,8 Hektar pro Tag, und damit bei einem Vielfachen des Reduktionsziels der Strategie für nachhaltige Entwicklung von 2,5 Hektar pro Tag.

Den Effekt sieht jeder, der übers Land fährt. Orte verwaisen, Landleben heißt oft, vom (möglichst idyllisch, also einsam gelegenen) Einfamilienhaus zum Einkaufen an den Ortsrand oder zum Arbeiten (in einem Zweckbau, der auf eine Wiese gestellt wurde) zu fahren.

Dieses düstere Bild ist freilich nur ein Teil dessen, was Landleben ausmacht, es stimmt auch nicht überall, aber das Thema Bodenverbrauch ist, nachdem lang recht bedenkenlos verbaut wurde, in aller Munde, wie Elisabeth Leitner, die Obfrau des Vereins LandLuft und Studiengangsleiterin für Architektur an der FH Kärnten, sagt.

Thema „präsent wie nie“

Bodenverbrauch gilt als eines der größten Umweltprobleme Österreichs, „es ist so präsent wie nie, von der Architektur bis zur Supermarktwerbung im Fernsehen, in der von Böden die Rede ist“, sagt Leitner. „Boden g'scheit nutzen“ – unter diesem Slogan sucht der Verein LandLuft nun Gemeinden, die da gegensteuern. Der Verein vergibt zum vierten Mal seinen Baukulturgemeinde-Preis – an Orte, die mit innovativen Konzepten zur Belebung von Ortskernen, für nachhaltige Mobilität, gegen Zersiedelung oder für Entsiegelung ihre Raumplanung innovativ gestalten.

Anfang 2021, wenn die Preisträger nach einem mehrstufigen Verfahren feststehen, wird es eine Ausstellung zum Thema im Wiener Architekturzentrum geben – das sich auch unabhängig davon gerade in einem großen Projekt mit dem Thema Böden befasst. Die Ausstellung soll dann durch Österreich und Deutschland touren. Schließlich hat es sich der Verein LandLuft zum Ziel gesetzt, Städte, Gemeinden oder Privatinitiativen als Positivbeispiele in die Öffentlichkeit zu holen, um möglichst viele Nachahmer zu finden. Und um das Netzwerk an Baukulturgemeinden, das um den Verein entstanden ist, zu erweitern.

Der übrigens im Kärntner Ort Moosburg sitzt – und in dem diverse Akteure, Architekten, Raumplaner, zusammenarbeiten, die zumindest ein Standbein auch am Land haben, wie Obfrau Leitner betont – um den Vorwurf zu entkräften, hier würden „die g'scheiten Wiener“ kommen, um „denen am Land“ vorzuschreiben, wie sie bauen sollen. Überhaupt gebe es „das Land“ so wenig wie „die Stadt“, „wir müssen das Bild vom Land verändern, es gibt so viel Innovation am Land“, sagt Sibylla Zech, Professorin für Regionalplanung und Regionalentwicklung am Institut für Raumplanung der TU Wien und Juryvorsitzende des Baukulturgemeinde-Preises.

Entsiegelung? Kein Thema

Und dort, am Land, macht oft eine Kleinigkeit den Unterschied. Etwa wenn ein Vereinshaus oder ein Feuerwehrhaus zentral gebaut wird statt am Ortsrand, wenn von dort das Wirtshaus fußläufig erreichbar ist, könne das den Unterschied machen, ob ein weiteres Gasthaus zusperrt oder nicht, sagt Architekt Roland Wallner vom Verein LandLuft. Er sieht in den Gemeinden, den weitaus größten Bauherren, den größten Hebel in Richtung eines Umdenkens.

Eine wirkliche Trendwende in Richtung des 2,5-Hektar-Ziels ist aber trotz all der Debatten nicht in Sicht. Auch wenn jüngere Novellen zu Raumordnungsgesetzen, etwa in Tirol und Vorarlberg, in Richtung Flächensparen gehen – etwa indem Einkaufszentren nicht mehr flach, eingeschoßig mit riesigen Parkplätzen an der Oberfläche gebaut werden. Deutschland geht viel weiter, dort gibt es gut dotierte Fonds, die Belebung von Ortskernen wie auch die Entsiegelung nicht genutzter Flächen fördern, so Zech. In Österreich gebe es zur Entsiegelung indes nicht einmal Daten – Potenzial an verbauten Flächen, die niemand mehr nutzt, gebe es indes genug.

Ausschreibung

Baukulturgemeinde: Diese Auszeichnung des Vereins LandLuft (in Kooperation mit Gemeindebund und Städtebund) wurde bisher dreimal an in Summe 24 Gemeinden vergeben. Die Einreichung ist heuer bis 23. März möglich, die Preisverleihung ist Anfang 2021. Info: www.landluft.at

Der Verein arbeitet seit 1999 an der Förderung von Baukultur am Land.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2020)

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