Sozialversicherung

Unternehmer in Wien: Aus für Selbstbehalt bei Arztbesuchen

Selbstständigen, die auf ihre Gesundheit achten und regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung gehen, wird der Selbstbehalt erlassen.
Selbstständigen, die auf ihre Gesundheit achten und regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung gehen, wird der Selbstbehalt erlassen.(c) Bilderbox
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Wer in Wien regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung geht und die – mit seinem Hausarzt definierten – Gesundheitsziele erreicht, zahlt ab sofort keinen Selbstbehalt mehr.

Wien. Um einen gesunden Lebensstil zu fördern, übernimmt die Wiener Wirtschaftskammer (WKW) künftig unter bestimmten Voraussetzungen den Selbstbehalt ihrer Mitglieder bei Arztbesuchen. Ein österreichweit einzigartiger Vorstoß, für den vorerst eine Million Euro veranschlagt wird.

1. Unter welchen Umständen wird der Selbstbehalt übernommen?

Wer in Österreich bei der SVS (Sozialversicherung der Selbstständigen, früher SVA) versichert ist und einen Arzt aufsucht, zahlt einen Selbstbehalt von 20 Prozent der Kosten. Teilnehmer am Vorsorgeprogramm „Selbstständig gesund“ zahlen nur zehn Prozent – und zwar dann, wenn sie die jährliche Vorsorgeuntersuchung in Anspruch nehmen sowie die – gemeinsam mit ihrem Hausarzt – individuell definierten Gesundheitsziele erreichen. Die Fortschritte werden regelmäßig kontrolliert. Das Programm gibt es seit 2012, es umfasst fünf Gesundheitswerte, die durch den Lebensstil beeinflussbar sind: Blutdruck, Gewicht, Rauchen, Alkohol und Bewegung.

Derzeit nehmen nur 8000 Unternehmer (von 135.000) daran teil. Damit sich diese Zahl erhöht, übernimmt die WKW die verbliebenen zehn Prozent des Selbstbehalts – rückwirkend mit 1. Jänner 2020. „Man muss regelmäßig hinterfragen, ob das Gesundheitssystem dem Vorsorgegedanken ausreichend Rechnung trägt“, sagt Kammerpräsident Walter Ruck. „Wir sehen Verbesserungsbedarf, den wir mit der Übernahme des Selbstbehalts beseitigen. Letztlich tragen Selbstständige nicht nur Verantwortung für sich selbst, sondern auch für 600.000 Arbeitsplätze.“ Untersuchungen hätten jedenfalls gezeigt, dass mit steigendem finanziellen Anreiz die Bereitschaft zu Vorsorgeuntersuchungen erhöht werde.

2. Woher stammt das Geld für die Übernahme der Kosten?

Möglich wird die Refundierung der Kosten Walter Ruck zufolge durch die Strukturreform der WKW im vergangenen Jahr, durch die jährlich mehrere Millionen Euro eingespart werden sollen. Im April eröffnete am Praterstern der neue, zehnstöckige Bau namens „Haus der Wiener Wirtschaft“. In dem Hauptquartier wurden die Angebote aller bisherigen Standorte – es waren zehn, verteilt auf fünf Bezirke – an einem Ort zusammengezogen. Zudem wurden aus 25 Abteilungen fünf. „Dadurch konnten die Kammerbeiträge um mehrere Millionen gesenkt werden“, sagt Ruck.

In den kommenden Wochen wird nun die WKW die technische und organisatorische Voraussetzung schaffen, damit die Unternehmer ihre Selbstbehalt-Vorschreibungen einreichen können. „Spätestens mit Ende des ersten Quartals wird das verzögerungsfrei abgewickelt werden können“, sagt Ruck. Und weist darauf hin, dass die WKW von der SVS lediglich eine Information darüber erhalten werde, ob der Versicherte das Programm erfolgreich absolviert hat oder nicht. Gesundheitsdaten würden nicht übermittelt. Ruck: „Das geht uns auch nichts an.“

3. Warum wird nicht allen Selbstständigen der Selbstbehalt refundiert?

Von einem „vollständigen und bedingungslosen Aus“ für den Selbstbehalt von Selbstständigen bei Arztbesuchen, wie das Marcus Arige, Spitzenkandidat des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands Wien, für die anstehende Wirtschaftskammerwahl am Mittwoch forderte, hält Ruck nichts. „Damit würde man die Kosten sozialisieren – und das führt immer zur Erhöhung der Kosten.“

Der jetzt gewählte Zugang hingegen setze auf die Eigenverantwortung der Mitglieder. Durch mehr Gesundheitsvorsorge helfe man nicht zuletzt dabei, die Gesamtausgaben im System durch weniger Kosten infolge von späteren Erkrankungen zu dämpfen.

Derzeit beträgt der jährliche Selbstbehalt eines Durchschnittsversicherten im Übrigen rund 120 Euro. Schon bisher sind 6000 bis 7000 Unternehmer von Selbstbehalten befreit. Das trifft beispielsweise auf chronisch Kranke oder Selbstständige mit geringem Einkommen zu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2020)

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