Hilfswerk setzt auf Pflegelehre und rät zum Blick in die Schweiz

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Bis 2030 werde es einen zusätzlichen Bedarf an rund 75.000 Pflegekräften geben, meint Hilfswerk-Geschäftsführerin Anselm.

Das Hilfswerk begrüßt den von Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) angekündigten Schulversuch zur Pflege-Ausbildung. Um den Mehrbedarf an Pflegekräften zu decken, sollte zudem eine Pflegelehre eingeführt werden, zeigte sich Geschäftsführerin Elisabeth Anselm am Donnerstag überzeugt. Vorbild für Österreich könnte aus ihrer Sicht das "Schweizer Modell" sein.

Größte Herausforderung in der Pflege sei der Personalmangel. Mit der aktuellen Anzahl an Absolventen könne der prognostizierte Bedarf nicht gedeckt werden. "Spätestens 2024 geht sich das auf gar keinen Fall mehr aus, wenn wir nichts tun", meinte Anselm. Bis 2030 werde es einen zusätzlichen Bedarf an rund 75.000 Pflegekräften geben. Um dem entgegenzutreten, brauche es ein Bündel an Maßnahmen.

"Das 'Schweizer Modell' wird oft falsch zitiert"

Das Regierungsprogramm sieht die "Einführung einer Pflegelehre PFA unter Berücksichtigung eines altersspezifischen Curriculums" vor. Kritiker einer Pflegelehre, darunter AK und Gewerkschaft, sehen unter anderem das jugendliche Alter von Lehrlingen, die dann schon mit 15 Jahren mit dem herausfordernden Feld der Pflege konfrontiert wären, als Problem. Außerdem sei in der Schweiz die Drop-Out-Rate hoch, kritisierte die Gewerkschaft vor kurzem.

"Das 'Schweizer Modell' wird in Österreich in der Diskussion oft falsch zitiert", betonte Anselm. Daher lud das Hilfswerk Urs Sieber, Geschäftsführer der Schweizer Dachorganisation der Arbeitswelt Gesundheit (OdASante), ein, im Rahmen der Pressekonferenz über die Erfahrungen in der Schweiz zu berichten. Sieber war an der Entwicklung des "Schweizer Modells" maßgeblich beteiligt. Im Nachbarland wurde bereits vor rund 15 Jahren damit begonnen, das System der Pflegeausbildung neu zu gestalten, berichtete Sieber. 2004 wurden mit einem neuen Berufsbildungsgesetz zwei neue Berufe geschaffen: Assistent/in Gesundheit und Soziales und Fachfrau/mann Gesundheit, für die eine zwei- bzw. dreijährige Lehre absolviert werden muss.

Der Schutz junger Auszubildender werde durch eine entsprechende Gestaltung der Curricula, durch adäquate Anleitung seitens der Lehrbetriebe sowie durch umfassende gesetzlich verankerte Arbeitsschutzbestimmungen gewährleistet, versicherte Sieber. Die Drop-Out-Quote liege zwar im Bereich der Pflege bei 50 bis 60 Prozent, räumte er ein, 80 Prozent der Ausgebildeten blieben aber im Gesundheitsbereich tätig. Fachfrau/mann Gesundheit liege in der Schweiz mittlerweile an zweiter Stelle der meist gewählten Lehrberufe.

"Wir sind wild entschlossen, einen Beitrag zu leisten"

"Das gegenwärtige österreichische Ausbildungssystem ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems", kritisierte Anselm. Problematisch sei insbesondere die lange Wartezeit zwischen dem Abschluss der Pflichtschule und dem Beginn der Schulen für Gesundheits- und Krankenpflege mit 17 Jahren. Diese Lücke könnte einerseits durch die geplante Schule, aber auch durch die duale Ausbildung in Form einer Lehre geschlossen werden. Lehrstellen könnten im Bereich der Spitäler, der Pflegeheime und der mobilen Dienste entstehen. "Wir sind wild entschlossen, einen Beitrag zu leisten", betonte Anselm.

(APA)

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