Theater

Clowns und Gangster im KZ: David Schalkos „Schwere Knochen“

Hier ist alles menschlich und unmenschlich zugleich: Thomas Frank als Gangsterkönig Thomas Frank in „Schwere Knochen“.
Hier ist alles menschlich und unmenschlich zugleich: Thomas Frank als Gangsterkönig Thomas Frank in „Schwere Knochen“. APA/HERBERT NEUBAUER
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Das Volkstheater-Ensemble zeigt sich in einer so anstößigen wie gelungenen Adaption von Schalkos Roman in guter Form.

Zu Beginn teilt ein Vorhang aus Ketten die Bühne, und man hört von giftigem Gulasch, Blut und dem Saft, den die Zuhälterin Musch „Schwanzgift“ nennt. Am Ende wirft ebendiese ihre Unterhose auf das Grab des mit Worten so kargen wie mit dem Messer geschickten Unterweltkönigs Krutzler. Dazwischen läuft über drei Stunden lang eine präzise Choreografie menschlicher Abgründe, aufgeführt von einem guten Teil des Volkstheater-Ensembles, das es in dieser Form nicht mehr lange geben wird. Im Herbst übernimmt Kay Voges und bringt etliche Schauspieler aus Dortmund mit.

Seltsam: Gerade jetzt, wo es im Zustand der Auflösung ist, und im Exil des Museumsquartiers präsentiert sich dieses Ensemble virtuos, überzeugend wie schon lange nicht. Das liegt wohl auch an der Regie: Alexander Charim lässt die Schauspieler brutal komisch und doch (fast) nie albern agieren, gibt einen präzisen und doch geschmeidigen Rhythmus vor, der an den richtigen Stellen doch zum Stillstand kommt, und zwar so, dass es einen noch lachend schaudert. Auch an der Sprache, an den Nuancen der Dialekte und Soziolekte hat er offensichtlich genau gearbeitet, und das ist nicht leicht bei diesem Stück, das in einem alten Wien und auf mehreren Sprachebenen spielt.

Isabella Knöll (L) als 'Musch' und Matthias Luckey als 'Herwig'
Isabella Knöll (L) als 'Musch' und Matthias Luckey als 'Herwig' APA/HERBERT NEUBAUER

Überhaupt ist David Schalkos 2018 erschienener, von realen Geschehnissen inspirierter Roman „Schwere Knochen“, aus dem Anita Augustin das das Stück gebastelt hat, kein leichter Fall. Er führt eine Bande von Wiener Kleinkriminellen vor, die in den Konzentrationslagern Dachau und Mauthausen eine Karriere als Kapos durchlaufen. Nach dieser, im Nachkriegswien, sind sie Großkriminelle. Hat sie das KZ verhärtet, entmenschlicht? Oder waren sie das schon vorher? „Ohne die Drecksarbeit der Kriminellen wäre so ein Konzentrationslager ein richtiger Sauhaufen gewesen“, heißt es einmal, der Satz wird dem Krutzler in den Mund gelegt, aber nicht in direkter Rede. Solche gibt es kaum in diesem Roman, in ihm verfließt die Erzählung ständig mit inneren Monologen und indirekter Rede, so verfließen auch die Wertungen, die Werte. Augustin ahmt das in ihrer Theaterfassung nach, indem die handelnden Personen zugleich sprechen und über sich sprechen, zugleich im Geschehen sind und es kommentieren. Klingt nach bemühtem Verfremdungseffekt, funktioniert aber. Wie die Szene, in der sich die KZ-Insassen für ihre Rollen als Täter und/oder Opfer zu grässlichen Clowns schminken.

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