Gastkommentar

Wie Staaten den Dialog mit Bürgern suchen

(c) Peter Kufner
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Mit Datenportalen und mehr Bürgernähe versuchen viele Länder, Vertrauen in ihr Regierungs- und Verwaltungshandeln zurückzugewinnen. Bis Ende Januar müssen die EU-Länder nun auch Transparenzregister öffentlich zugänglich machen.

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Mehr als zehn Jahre ist es her, dass Barack Obama am Tag seiner Amtseinführung im Januar 2009 mit dem Memorandum „Transparency and Open Government“ einen Kulturwandel anstieß. Seither bedeutet gutes Regierungs- und Verwaltungshandeln zunehmend auch offenes Regierungs- und Verwaltungshandeln. Obama verfolgte das Ziel, die Arbeit des gesamten öffentlichen Sektors – Politik, Regierung, Verwaltung und Justiz – transparenter und partizipativer zu gestalten und damit die Demokratie insgesamt entscheidend zu stärken und die Effizienz und Effektivität von Regierung und Verwaltung zu erhöhen.

Der Ruf nach einer offeneren Demokratie steht im engen Zusammenhang mit der Entwicklung des Internets und seiner vielfältigen Möglichkeiten, Informationen bereitzustellen, sie zu nutzen, mit anderen in Kontakt zu treten und zu kollaborieren. Beflügelt wurde dieser Wandel weltweit auch durch den Verlust an politischer Handlungsfähigkeit im Gefolge der Wirtschafts- und Finanzkrise. Mit mehr Offenheit und Bürgernähe sollte dem wachsenden Misstrauen gegenüber politischen Systemen und ihren Protagonisten und den sinkenden Wahlbeteiligungen entgegengewirkt werden.

USA: Noch immer guter Ruf

In den kürzlich veröffentlichten Sustainable Governance Indicators (SGI) 2019 der Bertelsmann-Stiftung bewerten unabhängige Experten nun zum ersten Mal, ob und in welchem Maß die nationalen Regierungen der hoch entwickelten Staaten der OECD und EU innerhalb der vergangenen zehn Jahre das Potenzial von Open Government für eine nachhaltige Regierungsführung erkannt haben.

In dem Ranking schneiden die USA mit neun von zehn möglichen Punkten auch unter der Regierung von Donald Trump noch sehr gut ab. Die Gutachter schreiben: „Neben Daten über die Aktivitäten der Regierung veröffentlicht die US-Regierung eine Vielzahl weiterer sozialer, wirtschaftlicher und anderer Daten. Alle wichtigen Ressorts und Dienststellen erheben und veröffentlichen relevante Datenreihen.“ Diese Datenoffenheit wird nach Ansicht der Gutachter auch genutzt und hat Konsequenzen. So kam es in den USA beispielsweise zu einer politischen Debatte über Unterbeschäftigung im Gegensatz zu Erwerbslosigkeit und die Bedeutung dieses Indikators für die Arbeitsmarktpolitik.

Wesentlich für die Öffnung von Regierung und Verwaltung gegenüber Bevölkerung und Wirtschaft ist das Zurverfügungstellen von Daten auf allgemein zugänglichen Plattformen in verständlicher Form. Es geht dabei um nichts weniger als die Etablierung eines laufenden Dialogs mit den Bürgern und der Zivilgesellschaft, um wichtige Impulse für künftige politische und administrative Entscheidungen zu erhalten.

Zwei der drei Länder, die mit zehn von zehn möglichen Punkten das SGI-Ranking zum offenen Regierungshandeln anführen, Norwegen und das Vereinigte Königreich, sind Gründungsmitglieder der Open Government Partnership (OGP), einer multinationalen Initiative, die seit 2011 die Umsetzung von mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung sowie die Verwaltungsmodernisierung vorantreibt. Inzwischen ist die Organisation auf 79 Nationen angewachsen, deren Regierungen sich verpflichtet haben, in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft im Zweijahresrhythmus Aktionspläne mit konkreten Reformschritten zu verabschieden. Die erreichten Fortschritte werden unabhängig und öffentlich bewertet.

Dass es sich bei dieser Initiative um weit mehr als nationale Lippenbekenntnisse handelt, zeigen die Beispiele Ungarn und Türkei. Nur einen Monat, nachdem die ungarische Regierung 2013 ihren ersten Open-Government-Aktionsplan präsentierte, verabschiedete das Parlament eine Änderung des Informationsfreiheitsgesetzes, das den Zugang zu Daten von öffentlichem Interesse stark einschränkte. Im Juli 2015 richteten vier zivilgesellschaftliche Organisationen einen offenen Brief an das OGP-Aufsichtsgremium, in dem sie das zunehmend feindliche Klima gegenüber zivilgesellschaftlichen Organisationen beschrieben und die Kriminalisierung von Nichtregierungsorganisationen beklagten. Das Gremium untersuchte die Vorwürfe, fand sie bestätigt und forderte die ungarische Regierung ultimativ auf, die Bedingungen für die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft zu verbessern. Daraufhin erklärte die ungarische Regierung im Dezember 2016 ihren sofortigen Rücktritt aus der Partnerschaft.

Die türkische Regierung hat es dagegen wiederholt versäumt, Aktionspläne für ein transparenteres und partizipativeres Regierungs- und Verwaltungshandeln einzureichen, weshalb das Land im September 2016 vom OGP-Aufsichtsgremium als „inaktives Mitglied“ eingestuft und ein Jahr später als erstes Land überhaupt ganz aus der Partnerschaft ausgeschlossen wurde. Wenig verwunderlich landen die Türkei und Ungarn auch im Open-Government-Ranking des SGI auf den untersten Plätzen mit nur vier beziehungsweise drei von zehn möglichen Punkten.

Obwohl viele Länder inzwischen eigene Ansätze für die Umsetzung von offenem Regierungshandeln verfolgen, gibt es auch noch viel zu reformieren. Ein wesentliches Ziel des offenen Regierungs- und Verwaltungshandelns ist beispielsweise, Korruption, Steuerhinterziehung und Geldwäsche vorzubeugen. Mit ihrer 5. Geldwäscherichtlinie hat die EU beschlossen, dass alle Mitgliedsländer spätestens bis zum 20. Januar 2020 ein sogenanntes Transparenzregister öffentlich zugänglich machen müssen. Es soll die wirtschaftlich Begünstigten hinter verschachtelten Firmenkonstruktionen sichtbar machen und Recherchen wie jene zu den Panama Papers vereinfachen.

Zögerliches Vorgehen

Im neuen deutschen Aktionsplan im Rahmen der Open Government Partnership, der im September 2019 verabschiedet wurde, fehlt das vom zivilgesellschaftlichen Open-Government-Netzwerk eingebrachte Ziel der Öffnung des nationalen Transparenzregisters für alle Bürger. Zwar gibt es bereits seit 2017 ein zugängliches Transparenzregister, doch ist die Nutzung gebührenpflichtig, wodurch Recherchen schnell kostspielig werden. Damit erfüllt die Bundesregierung zwar die Mindestanforderungen der EU-Geldwäscherichtlinie, nicht aber die Leitlinien der Open Government Partnership. Nur eine Handvoll Länder haben bereits kostenfreie Zugänge zu Transparenzregistern für alle Bürger umgesetzt. Dazu gehören Dänemark und Großbritannien, die durch ihr Engagement im Bereich Open Government auch im Ranking des SGI sehr gut abschneiden. Auch wenn sich bisher erst wenige Länder in ihren Aktionsplänen zu Fortschritten bei der Einrichtung von und dem Zugang zu Transparenzregistern durchringen konnten, erwartet die OGP dennoch eine positive Entwicklung in diesem Bereich, da öffentlich zugängliche Informationen über die wirtschaftlich Begünstigten von Firmengeflechten in den letzten Jahren zu einem der wichtigsten Anliegen der multinationalen Initiative geworden sind.

Zur Autorin

Karola Klatt (* 1966) studierte Kommunikationswissenschaften, Politik, Psychologie und Linguistik in München und Berlin. Sie ist Wissenschaftsjournalistin und Redakteurin der SGI News und des BTI-Blogs der Bertelsmann-Stiftung.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2020)

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