"Unstrukturierter Dateienmoloch"

Niedersachsen testet künstliche Intelligenz gegen Kinderpornos

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Nach zweijähriger Entwicklungszeit soll nun eine Künstliche Intelligenz den Ermittlern helfen, die beschlagnahmten Dateien in Fällen von Kinderpornografie schneller zu untersuchen.

Im Kampf gegen die Verbreitung von Kinderpornografie testet die niedersächsische Polizei in einem einjährigen Pilotprojekt flächendeckend den Einsatz eines eigenen Computersystems mit künstlicher Intelligenz. Das von IT-Spezialisten des Landeskriminalamts (LKA) entwickelte neuronale Netzwerk soll große Datenmengen für die Beamten vorsortieren und pornografische Dateien von irrelevanten trennen.

Das teilten am Donnerstag der Landesinnenminister Boris Pistorius (SPD) und LKA-Chef Friedo de Vries in Hannover mitteilten. Auf diese Weise soll die Belastung für jene Ermittler reduziert werden, die bei Verdächtigen beschlagnahmte Datenträger mit Bild- und Videodateien sichten müssen. Laut LKA nehmen die zu bearbeitenden Datenmengen wegen der stark gestiegenen Speicherkapazitäten inzwischen oft ein Ausmaß an, das von Menschen zeitlich kaum noch zu bewältigen ist. Dazu kommt die psychische Belastung.

"Wir tun alles, um die Polizeikräfte, die sich mit kinderpornografischen Dateien befassen müssen, zu entlasten", erklärte Pistorius. De Vries ergänzte, das neuartige eigene Programm spare "erheblich Zeit". Es sei in der Lage, aus einem "unstrukturierten Dateienmoloch" auf beschlagnahmten Speichermedien die beweisrelevanten pornografischen Dateien herauszufiltern. Die Ermittler müssten sich dann nur noch gezielt mit diesen befassen.

Selbst entwickeltes System

Das neuronale Netzwerk wurde demnach in den vergangenen zwei Jahren vom niedersächsischen LKA entwickelt und soll ab Februar nun ein Jahr lang in allen Polizeiinspektionen eingesetzt werden, um es im Alltag zu testen und weiter zu trainieren. Bereits jetzt sortiert es harmlose Dateien laut LKA mit einer Genauigkeit von durchschnittlich mehr als 96 Prozent aus und ist damit anderen vergleichbaren Anwendungen zumindest in Deutschland deutlich überlegen.

Die niedersächsische Polizei ist dabei nach eigenen Angaben zugleich die erste bundesweit, die bei dieser Aufgabe auf ein selbst entwickeltes System künstlicher Intelligenz setzt. Während der Testphase wird laufend kontrolliert, ob die Technologie korrekt arbeitet. "Wir vertrauen den Maschinen nicht blind", betonte de Vries.

Sogenannte neuronale Netze sind eine Methode künstlicher Intelligenz, bei der Computer in einer Art und Weise miteinander vernetzt werden, die die Arbeit eines Gehirns nachahmen soll. Sie haben große Stärken bei der Erkennung von Mustern in großen Datenmengen und können die dabei entdeckten Gesetzmäßigkeiten auch selbstständig auf neue Daten anwenden. Das wird maschinelles Lernen genannt.

Spezialisiertes Personal und Technik seien der richtige Weg

Bei der Auswertung von Daten zu Kinderpornografie bedient sich die Polizei nach eigenen Angaben bereits technischer Hilfen. So setzt sie Computerprogramme ein, die in der Lage sind, bereits bekannte pornografische Aufnahmen aus größeren Datenmengen herauszufiltern. Sie gleichen diese mit entsprechenden Datenbanken ab. Auch Internetkonzerne nutzen diese Technik, um die Verbreitung von Kinderpornos im Netz zu unterbinden. Das neue System der Polizei soll beschlagnahmte Speichermedien nun zusätzlich durchforsten.

"Mit immer mehr Personal allein können wir diesen abscheulichen Taten in der digitalen Welt nicht mehr begegnen", erklärte Landesinnenminister Pistorius. "Auf spezialisiertes Personal und technische Lösungen zu setzen, ist der absolut richtige Weg." Dadurch könnten Täter schneller ermittelt und Opfer geschützt werden.

(APA/DPA)

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