Heute kommt morgen meistens nicht wieder

Anrufe von Menschen, die man nicht eingespeichert hat, bringen fast nie gute Nachrichten.
Anrufe von Menschen, die man nicht eingespeichert hat, bringen fast nie gute Nachrichten.(c) imago images / Panthermedia (´Grafner´)
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Entweder hat man etwas vergessen, versäumt oder einfach versemmelt.

Kurz nach Mittag, als schon wieder eine unbekannte Nummer anruft, sage ich, leicht betrübt, schon einiges ist heute schiefgegangen: „Am liebsten würde ich den Tag heute noch einmal von vorn anfangen.“ Mein Gegenüber, nie um eine Antwort verlegen, antwortet: „Aber das kannst du doch morgen machen.“ Nein, so einfach ist das nicht. Heute kommt ja morgen nicht wieder, auch wenn es sich manchmal so anfühlt.

Anrufe von Menschen, die man nicht eingespeichert hat, bringen fast nie gute Nachrichten. Man hat etwas vergessen, versäumt, nicht bezahlt, in der Schule ist etwas, oder vor dem Haus steht eine Rettung. Früher, als jeder Anruf notgedrungen unbekannt war, gab es wenigstens diese paar Sekunden Unsicherheit, ob am anderen Ende der Leitung vielleicht die große Liebe sein könnte oder man das Preisausschreiben gewonnen hatte. Es war dann meistens keines von beiden.

Dafür hat sich das Gefühl beim Läuten an der Tür geändert. Wenn es heute läutet, ist es, Hurra, ein Päckchen, das nicht von einem dubiosen weißrussischen Gemischtwarengeschäft abgeholt werden muss, weil jemand endlich einmal im richtigen Moment daheim war. Manchmal ist es leider auch ein RSA-Brief, in dem nicht vom Erbe eines bisher unbekannten Onkels in der Schweiz die Rede ist, sondern davon, dass man 41 km/h in einer 30-km/h-Zone gefahren ist. Leider teuer. Früher konnte ein Läuten an der Tür durchaus ein wenig beklemmend sein, vor allem, wenn es zu Unzeiten passierte (mittags, abends, am Wochenende).

Wie bringt man aber nun einen Tag zu Ende, in dem der Wurm drin ist? Stabile Leute tun sich etwas Gutes (Laufen gehen, etwas Vernünftiges essen), Labilere bevorzugen Zucker und Fett. Früh schlafen gehen, rät hingegen die Expertin. Teddybär statt Gummibär sozusagen. Und dann ist morgen ein neues Heute.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2020)

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