Die Zahl der Austritte aus der katholischen Kirche ist gestiegen. Experten nennen Gründe und debattieren in der „Presse“ darüber, welchen Weg die Politik in Sachen Religion gehen sollte. Diskutieren Sie mit!
Rund 56 Prozent der Menschen in Österreich sind Mitglieder der katholischen Kirche - und es werden immer weniger: Die Zahl der Kirchenaustritte ist 2019 um 14,9 Prozent gestiegen. Dass die Kirche dennoch beschwichtigt, kritisiert „Presse"-Chronik-Ressortchef Dietmar Neuwirth: „Fehlt nur noch, dass jemand aus der Kirche meint: Die Richtung stimmt."
Als Gründe für die vielen Austritte vermuten Experten einerseits Missbrauchsfälle und die Vorwürfe gegen Bischof Alois Schwarz. Andererseits spielt Religion im Leben von vielen Österreichern schlicht keine Rolle mehr. Und gerade unter den Jungen gebe es heute eine "Art von Atheismus mit einer starken religionsfeindlichen Komponente“, wie die Wiener Theologin Regina Polak im Gespräch mit der „Presse“ erklärte.
Vermehrt hört man in letzter Zeit aber auch, dass Österreich „die christliche Tradition nicht ablegen sollte“. Und nicht nur von Christlich-sozialen. Dieses Zitat stammt zum Beispiel vom wahlkämpfenden burgenländischen Landeschef Hans Peter Doskozil (SPÖ) als Erklärung dafür, warum er für Kreuze im Klassenzimmer ist (und gegen Kopftücher bei Schülerinnen).
Apropos Islam: Der Religionswissenschaftler Bernhard Lauxmannwirft der türkis-grünen Regierung indes in einem Gastbeitrag Religionsfeindlichkeit vor. Er schreibt von einem „polemischen“ Regierungsprogramm, das etwa strengere Kontrollen des Religionsunterrichts vorsieht oder Religion generell einen „Hang zum Extremismus“ unterstellt. Nicht nur der „Islam im Speziellen“, sondern auch „ Religion im Allgemeinen“ würden unter Generalverdacht gestellt, so Lauxmann, der stellvertretender Vorstand an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Uni Wien ist.
Das Regierungsprogramm hat sich auch Eytan Reif, Vorstandsmitglied der Initiative Religion ist Privatsache, genauer angeschaut. Er zieht in seinem Gastbeitrag aber völlig andere Schlüsse daraus. Bedenklich findet er unter anderem die Einführung eines verpflichtenden Ethikunterricht für Religionsverweigerer. Er meint: „Die konfessionelle Segregation in Österreichs Schulen gerade dann, wenn über Gott und die Welt gesprochen wird, wird somit gesetzlich verankert und der wichtige integrative Beitrag eines gemeinsamen Ethikunterrichts ausgeschlossen werden."
(sk)
Diskutieren Sie mit: Warum steigt die Zahl der Austritte? Welchen Platz hat die Religion noch in Ihrem Leben? Welchen sollte Sie in der Politik und in der österreichischen Gesellschaft haben? Und: Sind eine aufgeklärte Gesellschaft und Religion vereinbar?