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100 Jahre Fellini: Seine Erben auf Netflix und Co

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Buon compleanno, Federico Fellini! Am 20. Jänner würde die 1993 verstorbene italienische Regielegende ihren hundertsten Geburtstag feiern. Fellinis schillerndes Schaffen wirkt immer noch nach, in Hollywood wie am Balkan: fünf sehenswerte Werke erklärter Nachfolger, die man streamen kann.

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To Rome With Love

Von Woody Allen, 2012
Zu sehen auf Sky

Woody Allen hat aus seiner Bewunderung für Federico Fellini nie einen Hehl gemacht. Sein schwarz-weißes Selbstbespiegelungsstück „Stardust Memories“ ist im Grunde eine Coverversion von „8 1/2“: Es beginnt sogar mit einer Hommage an dessen berühmten, (alp-)traumartigen Prolog. Und wer will, kann „Radio Days“ als Allens persönlichen „Amarcord“ betrachten: Eine nostalgische Rückbesinnung auf die Jugendzeit des Regisseurs, in Brooklyn statt Rimini. Gleichfalls unvergessen die Szene aus „Annie Hall“, in der ein prätentiöser Fellini-Auskenner Allens Alter Ego in der Warteschlange auf die Palme treibt. Die Ehrerbietung des New Yorkers ergibt Sinn: Fellini war zwar kein wirklicher „Stadtneurotiker“, aber doch ein begnadeter Nabelschauer, der seinem privaten Wahrnehmungs- und Gedächtnisuniversum immer extravagantere Leinwand-Denkmäler setzte. In Allens nett plätschernder Episodenrevue „To Rome With Love“ beschränken sich die Fellini-Fingerzeige auf ein Minimum, doch der Drehort ist Verbeugung genug – und mit Roberto Benigni (hier zu sehen in der Rolle eines Jedermanns, der plötzlich unerklärliche Berühmtheit erlangt) ist sogar ein Mime mit von der Partie, der einst die Ehre hatte, mit dem Vorbild selbst zu arbeiten. Immerhin.

Roma

Von Alfonso Cuarón, 2018
Zu sehen auf Netflix

Giuseppe De Santis, ein Vordenker des Neorealismus, klagte einst über die vielen geistigen Kinder von „Vater Fellini“ – und über den Mangel an Bannerträgern seiner eigenen Vision. Das Blatt hat sich gewendet: Der neorealistische (oder zumindest: naturalistische) Stil ist heute Normästhetik im Arthausbetrieb. Fellinis Kunst-Als-Leben-Attitüde scheint viel zu aufwändig, um wirklich Schule zu machen. Doch unlängst reüssierte eine Arbeit, die beide Traditionen verschränken will: Alfonso Cuaróns Mexiko-Epos „Roma“ teilt mit Fellinis gleichnamigem Stadtporträt den Erinnerungsgestus und die virtuose Inszenierung, versteht sich aber als wirklichkeitsnahes Tribut an das Leben der Unterprivilegierten.

Loro – Die Verführten

Von Paolo Sorrentino, 2018
Zu sehen auf Amazon

1960 planschte Marcello Mastroianni in „La dolce vita“ durch den Trevi-Brunnen, 2013 schunkelte Toni Servillo in „La grande bellezza“ auf dem Partydach. In der ewigen Stadt bleibt auch melancholische Dekadenz unvergänglich. Für manche ein schöner Gedanke, der „Bellezza“-Regisseur Paolo Sorrentino zum internationalen Durchbruch verhalf – und ihm den Ruf eines neuen Fellini einbrachte. Tatsächlich teilen beide eine Faszination für die surrealen Exzesse und absurden Widersprüche der italienischen Gesellschaft. Wer, wenn nicht Sorrentino sollte also Silvio Berlusconi ein Biopic widmen? Dieses gibt es auf Amazon, den „Cavaliere“ gibt darin wieder der charismatische Verwandlungskünstler Servillo.

Zavet (Versprich es mir!)

Von Emir Kusturica, 2007
Zu sehen auf Sky

„Ich bin stolz darauf, Fellinis Methode für mich entdeckt zu haben“, wird Emir Kusturica in einem Buch zitiert. „Sein Werk hat drei Hauptmerkmale: Die Faszination, die von jeder einzelnen Figur ausgeht, die unglaubliche Architektur jeder Szene, die heidnisch-mediterrane Weltsicht.“ So gesehen hat sich der umstrittene serbische Regisseur seinen Spitznamen („Fellini des Balkans“) redlich verdient: Sein Stil macht diese Eingenschaften zum Programm – und aus (Ex-)Jugoslawien ein karnevaleskes Fellinistan voller verrückter Charakterköpfe. In „Versprich es mir!“ weicht der oft episodische Charakter seiner Filme einer Coming-of-Age-Story, die dennoch jeden Augenblick droht, aus den Fugen zu fliegen.

Santa Sangre

Von Alejandro Jodorowsky, 1989
Zu sehen auf Amazon

Der Einfluss Fellinis reicht weit über die Grenzen Europas hinaus. Einer seiner schillerndsten Fans ist der chilenische Surrealist Alejandro Jodorowsky, der in den 1970ern mit ebenso wilden wie bildgewaltigen Mitternachtskinoklassikern wie dem LSD-Western „El Topo“ und der Erleuchtungs-Odyssee „The Holy Mountain“ kurzzeitig zum Lieblingsregisseur der US-Gegenkultur aufstieg. Hier war das Näheverhältnis zu seinem Italo-Paten aber noch nicht so offenkundig wie in seinem späteren, autobiografisch angehauchten Genre-Mix „Santa Sangre“.

Wie Fellini hat Jodorowsky, der in seiner Kindheit viel mit Schaustellern verkehrte, eine besondere Affinität für alles Zirzensische, und der erste Teil von „Santa Sangre“ schildert die prägende Umgebung eines Zirkus-Bubs in prachtvoller Überzeichnung. Nur dass das Brutale und Triebhafte, das bei Fellini meist im dezenten Rahmen bleibt, bei Jodorowsky stets unverblümt aus vollen Rohren feuert. Resultat ist ein schrecklich schönes Feuerwerk der Fantasien und Leidenschaften, das nie mit Blutspritzen geizt. Und sich in seiner zweiten Hälfte unvermittelt, aber folgerichtig in ein schwelgerisches Horror-Melodram verwandelt: Fellini für Hartgesottene.

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