Diplomatie

Wie Österreich die Killerroboter ins Visier nehmen will

Außenminister Alexander Schallenberg bei seinem Schweizer Amtskollegen, Ignazio Cassis, im stilvollen Béatrice-von-Wattenwyl- Haus in Bern.
Außenminister Alexander Schallenberg bei seinem Schweizer Amtskollegen, Ignazio Cassis, im stilvollen Béatrice-von-Wattenwyl- Haus in Bern.APA/KEYSTONE/PETER SCHNEIDER
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Außenminister Schallenberg bei Antrittsbesuch in der Schweiz. Abrüstung und Menschenrechte im Fokus.

Genf. Hoch über dem Genfer See erhebt sich imposant das Palais des Nations, das Hauptquartier der UNO in der Schweiz. Die Berge verstecken sich unter einer dicken Wolkendecke. Draußen nieselt es. In den Hallen der Weltorganisation dagegen braut sich ein Sturm zusammen.

„Die Menschenrechte kommen weltweit zunehmend unter Druck“, sagt der österreichische Außenminister am Freitag bei seinem Antrittsbesuch bei den Vereinten Nationen in Genf. Die Visite in der Schweiz ist nach seinem Blitzbesuch in Brüssel Alexander Schallenbergs erste Auslandsreise seit der Angelobung. Er will damit ein Zeichen setzen, zeigen, wie wichtig Österreich das multilaterale Engagement ist. Nicht umsonst ist auch Wien Amtssitz der UNO.

Doch 75 Jahre nach Gründung der Weltorganisation – in Zeiten des Iran-Konflikts, des Streits über Migration und Klimaschutz, einer erratisch agierenden US-Regierung – steckt die internationale Zusammenarbeit in der Krise. „Aber wir brauchen ein System, in dem nicht das Gesetz des Dschungels, sondern Regeln gelten“, sagt Schallenberg. Darin ist er sich auch mit der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, einig, die er zum Gespräch trifft.

Menschenrechte und Abrüstung – das sind die Themen, denen die Regierung besondere Aufmerksamkeit widmen will. Mit Österreichs UNO-Botschafterin in Genf, Elisabeth Tichy-Fisslberger, ist auch erstmals eine Diplomatin aus Wien Präsidentin des UN-Menschenrechtsrats. Vor allem China versuche bewusst, den internationalen Schutz der Menschenrechte zu untergraben und ein „alternatives“ System zu etablieren, sagen Diplomaten. Eines, in dem die Rechte des Individuums, die Medienfreiheit, das Recht auf freie Meinungsäußerung keine Rolle mehr spielten. Und Peking finde bei autoritär regierten Staaten in Asien und Afrika dankbare Verbündete.

In der Österreichischen Vertretung, zehn Fußminuten vom Palais des Nations entfernt, gibt es Lachsbrötchen und Gemüsequiche. Im Konferenzraum haben sich Vertreter von NGOs versammelt, die sich für Abrüstung einsetzen. „Die Situation ist extrem gefährlich“, sagt Daniel Högsta von der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Nuklearwaffen, kurz Ican.

Die Kampagne hat 2017 den Friedensnobelpreis erhalten. Doch international geht die Entwicklung in eine andere Richtung. Der INF-Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme ist de facto tot, die Zukunft des Start-II-Vertrags über die Verringerung strategischer Waffen unsicher. Die Atomwaffenstaaten modernisieren ihre Arsenale. Viele Experten glauben, dass der Einsatz von Atomwaffen heute wahrscheinlicher ist als in den Jahrzehnten zuvor. Högsta zitiert eine Studie des Roten Kreuzes, wonach die Hälfte der Millennials damit rechnet, dass es in den nächsten zehn Jahren zu einem Angriff mit Atomwaffen kommt.

Abrüstung ist seit Jahren ein Steckenpferd der österreichischen Diplomatie. Das UN-Abkommen über ein Atomwaffenverbot, das im Juli 2017 von mehr als 120 Ländern angenommen wurde, hat Österreich maßgeblich mitgestaltet. Ab 50 Ratifikationen tritt der Vertrag in Kraft, derzeit sind es 34.

Internationale Konferenz in Wien?

Schallenberg versichert der Runde, dass Österreich sein Engagement für Abrüstung nicht nur aufrechterhalten, sondern ausweiten wolle. Nach den Atomwaffen hat er bereits ein weiteres Thema im Blick: tödliche autonome Waffensysteme, umgangssprachlich auch Killerroboter genannt. „Die Entscheidung über Leben und Tod muss in der Hand von Menschen bleiben“, sagt Schallenberg. Verhandlungen über eine künftige Konvention zu diesen Waffensystemen müssten jetzt beginnen, „bevor die künstliche Intelligenz das Schlachtfeld erreicht“.

Eine Kampagne von 140 NGOs in über 60 Ländern setzt sich bereits für ein internationales Verbot dieser Waffensysteme ein. Auch 30 Staaten plädieren für eine Konvention – Österreich ist bisher das einzige europäische Land unter ihnen. Die Verhandlungen befinden sich erst in der Vorphase. Schallenberg will deshalb zu dem Thema eine internationale Konferenz in Wien abhalten. Experten befürchten ein Wettrüsten, wenn nicht bald Regeln geschaffen werden.

Im Gegensatz zu diesen internationalen Sturmtiefs herrscht in den Beziehungen zwischen Österreich und der Schweiz eine Schönwetterlage. Der Schweizer Außenminister, Ignazio Cassis, begrüßt seinen österreichischen Kollegen im stilvollen Béatrice-von-Wattenwyl-Haus in der Berner Innenstadt. Der Besuch in der Schweiz sei ihm wichtig gewesen, sagt Schallenberg, der als Diplomatensohn in Bern geboren ist. „Wir dürfen die Nachbarschaft nicht vergessen.“ Künftig wollen beide Länder auch international enger zusammenarbeiten.

Reibungspunkte gibt es zwar zwischen der Schweiz und der EU. Am 17. Mai müssen die Schweizer darüber entscheiden, ob sie dem Rahmenabkommen zustimmen, das die Beziehungen auf eine neue Grundlage stellen soll. Der Ausgang ist unsicher. Aber wenigstens bilateral, darin sind sich die Minister einig, gebe es keine Konfliktpunkte. „Wir müssten mit der Lupe danach suchen“, sagt Cassis. Und Schallenberg spricht von „einem stabilen Hoch. Wolkenfrei.“

Compliance-Hinweis:
Für die Reise nach Bern und Genf hat das österreichische Außenministerium einen Teil der Reisekosten übernommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2020)

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