Neoliberalismus

Gott erhalte unsern Markt

Die k. u. k. Monarchie inspirierte die „Ordo-Globalisten“ zu ihrer Idee schützender Institutionen für den freien Welthandel. Hier die Wiener Freudenau um 1890.
Die k. u. k. Monarchie inspirierte die „Ordo-Globalisten“ zu ihrer Idee schützender Institutionen für den freien Welthandel. Hier die Wiener Freudenau um 1890.(c) Picturedesk
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Der Neoliberalismus entstand in Wien, aus den Trümmern der Donaumonarchie, behauptet der kanadische Historiker Quinn Slobodian. Eine ideengeschichtliche Spurensuche.

Im Sinne der Sonntagsruhe: Wer den Neoliberalismus für alle Übel verantwortlich hält, sein Land liebt und zudem zart besaitet ist, sollte die Lektüre abbrechen. Denn der kanadische Historiker Quinn Slobodian deckt auf: Das Herz der Finsternis fing nicht in Chicago, London oder Washington zu schlagen an, sondern in Wien. Wer hingegen die Augen über einen sinnentleerten Kampfbegriff verdreht, der sollte sich mit „Globalisten. Das Ende der Imperien und die Geburt des Neoliberalismus“ auf die ideengeschichtliche Spurensuche begeben.

Der Tatort: Das Jugendstil-Palais am Stubenring 8–10, bis vor kurzem Sitz der Wiener Wirtschaftskammer. Dort werkte ab 1909 Ludwig von Mises, gegenüber vom damaligen Kriegsministerium, Symbol eines allmächtigen Staates, vor dem er den freien Markt schützen wollte – wenn auch als staatlich finanzierter Berater der Regierung.

In den Zwanzigerjahren gesellte sich Friedrich August von Hayek dazu, man traf sich zum privaten Seminar mit Ökonomen von weit her. Aus dieser Gruppe formten sich später in der Schweiz mit der „Genfer Schule“ und der „Mont Pèlerin Society“ die selbst ernannten Neoliberalen. Ihr Programm aber ist aus den Trümmern der Donaumonarchie erwachsen. Wie das?

»Hayek und Mises priesen die Trennung von Wirtschaft und Politik im Habsburgerreich.«

Die erste Idee, die Hayek zu Papier brachte, war ein verklärendes Loblied auf die Trennung von Wirtschaft und Politik im späten Habsburgerreich: Die Volksgruppen hatten eigene kulturelle Regelungen, die Zentralregierung legte Rahmenbedingungen fest, für einen Wirtschaftsraum mit starker Arbeitsteilung. Interventionen unterblieben, um nicht Sonderinteressen zu bedienen und so das heikle Gleichgewicht zu stören. Die kleinen Nachfolgestaaten aber scheiterten daran, sich durch Zollschranken und Enteignung nun fremder Unternehmen autark zu machen – was zum „völligen Verlust an Lebenschancen“ führte, wie der liberale Ökonom Deepak Lal noch 2004 beklagte.

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