Unterwegs

Hernals: Seinem motorisierten Schicksal überlassen

Rundgang durch Hernals, ein Freilichtmuseum gestriger Stadtplanung.

Europas Städtebau verändert sich, hauptsächlich, weil sich die Mobilität verändert. Oder verändern muss. Die Abkehr von der autogerechten Stadt geht langsam, aber doch vonstatten. In den Fifties träumte man von einer Autobahn über den Wienfluss bis ins Zentrum. Unter den Zeitungen, die sich dafür stark machten, auch „Die Presse“: „Mit 80 Stundenkilometern über die Wien hinweg!“ frohlockte sie 1954. Aber es blieb beim Naschmarkt, und in Deutschlands Städten diskutiert man heute über generell Tempo 30, zum Schutz von Radfahrern. Angesichts von 68 im Straßenverkehr getöteten Fußgängern im Vorjahr, darunter sechs Kinder, überwiegend im Ortsgebiet zugetragen, muss auch bei uns etwas geschehen. Indem man sich zum Beispiel anschaut, wie es nicht geht – im Wiener Bezirk Hernals, der ganz seinem motorisierten Schicksal überlassen ist. Die Hernalser Hauptstraße ist eine Art Verlängerung der Westautobahn, über die der Pendlerverkehr recht ungestört - nur durch sich selbst gebremst - brausen darf. Pech, wer über die vierspurige Straße zum Supermarkt oder zur Schule will: In Dornbach gibt es auf einem Kilometer Länge keinen sicheren Übergang. Kurz gab es ihn, wegen einer Baustelle. Die Kinder gefahrlos querend wissen – man fühlte sich fast wie in einer Stadt, die auch an ihre kleinen Bürger denkt. Nur kurz halt: Zebrastreifen und Ampeln sind inzwischen wieder abgetragen. Überhaupt todesmutig: Radfahrer, für die es im Bezirk so gut wie keine Infrastruktur gibt. Nur Gags: Beim Friedhof, an besonders gefährlicher Stelle, wurden unlängst Reflektoren in den Boden gesetzt. Sie sind schon wieder weg, Autofahrers Ideallinie zum Opfer gefallen.

timo.voelker@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2020)

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