Klimaschutz

Was es am ÖBB-Nachtzug nach Brüssel zu verbessern gibt

Verkehrsministerin Leonore Gewessler und ÖBB-Chef Andreas Matthä im Nightjet
Verkehrsministerin Leonore Gewessler und ÖBB-Chef Andreas Matthä im NightjetAPA/HERBERT NEUBAUER
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EU-Abgeordnete von ÖVP, SPÖ und Grünen sind mit Komfort zufrieden. Verbesserungsbedarf wird jedoch bei Kompatibilität des Schienennetzes in Europa, Reisezeit und Frequenz gesehen.

Überpünktlich ist der erste direkte ÖBB-Nachtzug aus Wien am Montag um 10.53 Uhr am Brüsseler Südbahnhof eingetroffen. Neben EU-Abgeordneten der ÖVP, SPÖ, FPÖ und der Grünen war auch ÖBB-Chef Andreas Matthä an Bord des Nightjets, der nach mehr als 14 Stunden Fahrt von zahlreichen Journalisten, Kamerateams und einer Musikkapelle am Bahnsteig 6 begrüßt wurde.

"Mit unserer neuen Direktverbindung nach Brüssel übernehmen wir aktiv Verantwortung für den Klimaschutz", sagte Matthä. 2003 war die letzte Direktverbindung eingestellt worden.

Im Vergleich zum Flugverkehr seien rund 350 Kilogramm CO2 pro Fahrgast eingespart worden, rechnete der ÖBB-Chef vor. Während Flugpassagiere auf der Strecke von Wien nach Brüssel mehr als 400 kg CO2 verursachten, seien es bei Nightjet-Fahrgästen nur je 40 kg CO2 pro Kopf.

Matthä bedankte sich für die gute Zusammenarbeit mit der belgischen Eisenbahngesellschaft SNCB. "Bahnfahren ist immer eine Gemeinschaftsleistung", so der ÖBB-Chef.

Die neue Nachtzugverbindung bietet zweimal wöchentlich ein umweltfreundliches Mobilitätsangebot in die EU-Metropole. Das günstigste Sparschiene-Ticket pro Person und Richtung kostet 29,90 Euro, wer alleine im Single-Deluxe-Abteil mit Dusche, WC und Frühstück reisen will muss 249 Euro hinlegen.

Lob für Reisekomfort

Die mitgereisten österreichischen EU-Abgeordneten lobten den Reisekomfort, sie sehen aber noch Verbesserungsmöglichkeiten bei der transnationalen Zugverbindung. Barbara Thaler von der ÖVP, die mit ihren Kollegen Othmar Karas, Angelika Winzig, Simone Schmiedtbauer, Lukas Mandl an der Premierenfahrt teilnahm, wünscht sich mehr Kompatibilität der nationalen Eisenbahnsysteme.

"Wir haben in Aachen eine Verzögerung von 30 Minuten gehabt, weil wir die Lok wechseln mussten", sagte Thaler. Der Grund sei gewesen, dass die genutzte Lok in Belgien nicht zugelassen sei, erklärte die stellvertretende Verkehrssprecherin der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament und sprach sich für eine Vereinheitlichung des Schienennetzes in Europa und der national geltenden Vorschriften aus. "Da kann man die Bahn noch schneller und wettbewerbsfähiger machen."

SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder sieht es als dringend notwendig an, dass die Streckenkapazitäten so frei gegeben werden, dass man vor allem im belgischen Teil schneller fahren könne. "Dann wäre es auch möglich, zwei Stunden früher in Brüssel anzukommen", sagte Schieder, der gemeinsam mit seinen Delegationskollegen Günther Sidl und Hannes Heide mit dem Zug nach Brüssel gekommen war.

Von den Grünen nahmen Monika Vana, Sarah Wiener und Tom Waitz den Nachtzug. EU-Delegationsleiterin Vana wünscht sich neben einer früheren Ankunft auch eine höhere Frequenz. "Aus Sicht einer Europaabgeordneten würde ich es sehr begrüßen, wenn der Nachtzug täglich fahren würde und in Brüssel am Morgen mindest eine Stunde früher ankäme", so Vana. Von der FPÖ-EU-Riege war der Abgeordnete Roman Haider mitgefahren.

Nachtzug-Debatte in Deutschland

In Deutschland wird über die Wiederaufnahme des Nachtzugverkehrs diskutiert. Die Deutsche Bahn (DB) hatte sich vor drei Jahren aus der Nachtzugsparte verabschiedet, weil sie rote Zahlen schrieb, und plant unter Verweis auf die dafür nötigen Investitionen vorerst keine Wiedereinführung. Die Österreichischen Bundesbahnen   hatten Teile davon übernommen und fahren damit einen Gewinn ein.

Dem deutschen Verkehrsministerium zufolge fahren in Deutschland derzeit Nachtzüge acht verschiedener Anbieter, unter anderem aus Polen, Russland, Ungarn und Österreich. Die ÖBB hatten Teile des Nachtzuggeschäfts der Deutschen Bahn übernommen und bieten Verbindungen etwa nach Berlin, Hamburg, Zürich oder Rom an. Jetzt wurde auch eine Verbindung Wien - Brüssel eröffnet. Die ÖBB erkennen für ihre Nachtzüge durch Deutschland auch die Rabattkarten Bahncard 50 und 25 der Deutschen Bahn an.

Die deutsche Bundesregierung steht zwar einem Ausbau des Nachtzugangebots offen gegenüber - an der Finanzierung will sie sich aber nicht beteiligen. Da Nachtzüge nicht Teil des gemeinwirtschaftlichen Verkehrs seien, müssten die Unternehmen selbst über das Angebot entscheiden, "welches sie eigenwirtschaftlich verantworten", heißt es in der Antwort auf eine Anfrage der Linke-Bundestagsfraktion.

"Die Bundesregierung spricht zwar neuerdings viel vom Klimaschutz, bei den Taten allerdings sieht es mau aus", urteilte die Linke-Abgeordnete Sabine Leidig. "Ich erwarte, dass die Koalition endlich konkrete Maßnahmen auf den Tisch legt, die Nachtreisezüge als Alternative zum Flugverkehr fördern."

Der Vertreter der Europäischen Kommission in Österreich, der Deutsche Martin Selmayr, fuhr selber im ersten ÖBB-Nachtzug von Wien nach Brüssel mit und begrüßt die Ausweitung der Nachtzüge. "Ein Viertel der Treibhausgasemissionen in der EU entfällt auf den Verkehrssektor. Im Zuge des Grünen Deals, den die Europäische Kommission im Dezember vorgestellt hat, soll Europa bis 2050 klimaneutral werden. Um das zu bewerkstelligen, müssen wir die verkehrsbedingten Emissionen um 90 Prozent senken. Dafür brauchen wir dringend Initiativen wie diese", erklärte er.

(APA)

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