Reportage

Davos, wo sich der Kapitalismus arrangieren will

Ankunft Donald Trump: Die Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums beginnt am heutigen Dienstag.
Ankunft Donald Trump: Die Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums beginnt am heutigen Dienstag.REUTERS
  • Drucken

Die Weltwirtschaft ist stabil, Klimaschützer sind omnipräsent, Trump auch: Am heutigen Dienstag beginnt die 50. Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums in Davos.

„Stopp Globalization“ und „We have only one world“ haben Aktivisten – wohl lokale – am Rand der Straße metergroß in die dicke Schneedecke gefräst: Das erste wird wohl ein frommer Wunsch bleiben. Das zweite würde selbst Donald Trump unterschreiben, der die Schnee-Botschaft vielleicht von seiner Helikopter-Armada aus sehen wird, mit der er heute, Dienstag, zum zweiten Mal in seiner Amtszeit zum Weltwirtschaftsforum nach Davos kommt. Es wird wieder ein spektakulärer Auftritt. Beim letzten Mal vor zwei Jahren fachte er den Handelskrieg mit China und dem kleinen Europa an und forderte die handzahmen Wirtschaftsspitzen der Welt ungeniert auf, ihr Geld gefälligst in den USA zu investieren.
Es hat zum Teil funktioniert. Die US-Wirtschaft steht gut da, der Handelskrieg war kurz, nicht so heftig, aber hilfreich für Trump. Mit China einigte er sich. Kein Wunder, dass Trump das Davoser Winterwonderland liebt.

Nach einem verdrießlicheren Forum 2019 gibt es 2020 wieder Nachrichten, die Teilnehmer wie Trump gefallen werden: Die Weltwirtschaft wird sich nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds erholen. In der Industrie und im Handelsstreit macht der IWF eine allmähliche Stabilisierung aus. Außerdem stützt die weiterhin lockere Geldpolitik der Zentralbanken den Konsum und sichert vielen Firmen billiges Geld.

Globales Wachstum ist stabil

Gegenüber der Oktober-Schätzung fallen die IWF-Prognosen einen Tick pessimistischer aus. In seinem aktuellen Weltwirtschaftsausblick, den er am Montag in Davos veröffentlichte, rechnet der IWF mit einem globalen Wachstum von 3,3 und 3,4 Prozent in den Jahren 2020 und 2021. 2018 waren es allerdings noch 3,6 Prozent, 2019 dagegen dürfte es lediglich noch zu 2,9 Prozent gereicht haben. In den USA wird sich das Wachstum abschwächen, in der Eurozone leicht zulegen. Für Deutschland geht der IWF 2020 von einem Plus von 1,1 Prozent aus, 2021 dann von 1,4 Prozent. Das wäre gegenüber 2019 mehr als eine Verdoppelung. Die IWF-Ökonomen sind somit deutlich optimistischer als andere Experten.

Anders formuliert: „Globalization works.“ Der eigentliche Gegenspieler von Trump sind nicht mehr China oder Europa, sondern eine junge Frau: Greta Thunberg. Sie musste am Montag allerdings passen – krankheitsbedingt. Dennoch ist sie omnipräsent, viele jüngere Teilnehmer sympathisieren mit ihr und „How dare you!“ Als Alliierte wurden Alt-Klimawandel- und Nachhaltigkeitskämpfer wie Al Gore und Prinz Charles aktiviert. Die Organisatoren des Forums unter Führung von Klaus Schwab haben sich zum 50-Jahr-Jubiläum bemüht, nicht nur ihren Sponsoren und den CEOs programmatisch zu gefallen, sondern eben der wachsenden Mitgliederzahl im Team Thunberg. Kaum ein Panel kommt ohne Umweltschutz aus, auf den Gängen des militärisch abgeriegelten Kongresszentrums kann man beim Trocknen und Verarbeiten von Algen zuschauen. Und Fleisch ist ohnehin verpönt.

Davos war immer der wichtigste Ort des Dialogs. Das bedeutet einen Spagat, das bedeutet Diplomatie. Zum 50. Geburtstag werden die Gegensätze kaum überbrückbar – hier Wachstum als klares Ziel (und auch sogenannter zweiter oder dritter Welt), dort Zurückhaltung und Verzicht als die zentrale Forderung. Am Vorabend des Forums werden nicht nur Studien veröffentlicht, aus denen hervorgeht wie gut/schlecht es der Wirtschaft geht oder ob sich die soziale Schere schließt oder nicht. Da werden auch Umfragen zum Stimmungstest und -machen veröffentlicht: Laut einer Erhebung der US-Kommunikationsagentur Edelman stimmen 56 Prozent der 34.000 Befragten in 28 Ländern der Einschätzung zu, dass der Kapitalismus in der derzeitigen Form „mehr Schaden als Gutes in der Welt“ anrichte.

Zweifel an Kapitalismus

Das „Edelman Trust Barometer“ wird seit 2000 ermittelt. Es misst das Vertrauen von Bürgern in Institutionen. Über die Jahre stellten die Autoren eine wachsende Wahrnehmung von sozialer Ungleichheit fest. „Die Menschen bezweifeln, dass die Welt, in der wir heute leben, optimal für eine gute Zukunft ist, erläuterte Studienleiter David Bersoff. Zu den Sorgen zählen das Tempo des technischen Fortschritts (!), Arbeitsplatzunsicherheit, Misstrauen in die Medien und das Gefühl, dass die nationalen Regierungen aktuellen Herausforderungen nicht gewachsen seien. Am wenigsten Vertrauen wird dem Kapitalismus in Thailand und Indien entgegengebracht. Auch in Frankreich ist die Skepsis hoch. Nur in Australien, Kanada, den USA, Südkorea, Hongkong und Japan vertraut eine Mehrheit der westlichen Wirtschaftsordnung.
Klingt nach der Notwendigkeit für viel Aufklärungsarbeit und Kritikfähigkeit auf beiden Seiten. Vier Tage in Davos sind ziemlich wenig für solche Herausforderungen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Archivbild: Bewerber vor einem  Uni-Aufnahmetest in Wien.
Studie

Sozialer Aufstieg ist in Österreich relativ leicht

Das Weltwirtschaftsforum verweist auf das globale Problem fehlender sozialer Durchlässigkeit. Österreich schneidet im Vergleich sehr gut ab.
Sind die Reichen reich, weil die Armen arm sind?
Statistik

Sind die Reichen reich, weil die Armen arm sind?

2153 Milliardäre haben mehr Vermögen als 60 Prozent der Menschen. Armut müsse durch Umverteilung bekämpft werden, meint die Hilfsorganisation Oxfam. Beim Thinktank Agenda Austria sieht man das anders.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.