Die Grünen drohten, von der Aufdecker- zur Zudecker-Partei zu werden, meint der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried. Die FPÖ kündigt an, dem U-Ausschuss „keine Steine in den Weg“ zu legen.
Die SPÖ ist besorgt, dass die Koalition den anstehenden U-Ausschuss zur Casinos- und Ibiza-Affäre verzögern könnte. In einer Pressekonferenz Dienstagvormittag warnte der stellvertretende Klubchef Jörg Leichtfried vor einem Anschlag auf die parlamentarische Demokratie. Die Grünen drohten, von der Aufdecker- zur Zudecker-Partei zu werden.
An sich sind U-Ausschüsse ja Minderheitenrecht. Befindet eine Mehrheit jedoch den Untersuchungsgegenstand für nicht verfassungskonform, muss der entsprechende Antrag umformuliert werden oder ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof angestrengt werden. Die Entscheidung dürfte morgen früh im Geschäftsordnungsausschuss fallen.
Einsprüche würden hier gemäß Usancen bis 24 Stunden vor der Sitzung eingebracht, führte Leichtfried aus. Dies sei nicht erfolgt, daher gehe er davon aus, dass der Antrag von SPÖ und Neos ohne Änderung durchgehen werde. Im anderen Fall werde ein Minderheiten-zu einem Mehrheitsrecht gemacht.
Meinl-Resinger nimmt Bedenken nicht ernst
Auch die Neos zeigten sich am Dienstag besorgt. Besonders enttäuscht zeigte sich Parteichefin Beate Meinl-Reisinger von den Grünen, die sich in ihren Augen offenbar "zum Mittäter" des ÖVP-"Machtrausches" machen hätten lassen. Meinl-Reisinger geht dennoch davon aus, dass der U-Ausschuss demnächst in weiten Teilen startet.
Zwar habe es keinen Einspruch gegeben - aber auf Referentenebene seien Bedenken vorgebracht worden, dass Teile des Untersuchungsgegenstandes im von Neos und SPÖ eingebrachten Antrag nicht rechtskonform seien. Ernst nehmen könne man diese jedoch nicht wirklich, so Meinl-Reisinger; sie sieht darin einen Blockadeversuch. Schließlich sei ihr vor Weihnachten vorgeworfen worden, der Untersuchungsgegenstand wäre zu eng gefasst, jetzt werde er als zu weit kritisiert. Der Antrag sei mit Verfassungsrechtlern besprochen und rechtlich geprüft worden, merkte die pinke Parteichefin an.
Sie kann "verstehen, dass die ÖVP ihre Machenschaften nicht kontrollieren lassen will". Aber das Verhalten der Grünen irritiere sie: Damit hätte sie nicht gerechnet, dass die Grünen bei einer Missachtung Parlaments mitmachen würden.
FPÖ will nicht blockieren
Die FPÖ will dem anstehenden U-Ausschuss zur Casinos- und Ibiza-Affäre keine Steine in den Weg legen. Man stehe immer auf der Seite des Minderheitenrechts, betonte Wissenschaftssprecher Martin Graf am Rande einer Pressekonferenz am Dienstag. "Wir werden keine Initiative blockieren, damit der U-Ausschuss Fahrt aufnehmen kann."
Zwar könne er dem Geschäftsordnungsausschuss am Mittwoch nicht vorgreifen, so Graf. "Ich gehe aber davon aus, dass die FPÖ nichts blockieren wird, was andere eingebracht haben." Er befürchte aber, dass ÖVP und Grüne zur Blockade greifen würden.
Casinos- und Ibiza-U-Ausschuss wäre 24. U-Ausschuss der Zweiten Republik
Sollte der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Casinos- und Ibiza-Affäre freigegeben werden, wäre es der 24. U-Ausschuss der Zweiten Republik.
Zum vierten Mal würde eine parlamentarische Minderheit einen U-Ausschuss ins Leben rufen. Beantragt haben ihn SPÖ und Neos, Grüne und ÖVP haben allerdings nach wie vor noch nicht ihr geschäftsordnungsmäßiges Okay gegeben.
Die beiden Oppositionsparteien SPÖ und Neos haben zusammen 55 Abgeordnete - genug, um das Minderheitsrecht auf Einsetzung eines U-Ausschusses auszuüben. Dass ein Viertel der Abgeordneten eine parlamentarische Untersuchung erzwingen kann, ist erst seit Anfang 2015 möglich. Vorher mussten U-Ausschüsse mit Mehrheit - also immer mit Zustimmung von Regierungsparteien - beschlossen werden.
Größter Unterschied zwischen dem "Mehrheits-Ausschuss" und dem "Minderheits-Ausschuss": Ersterer kann jederzeit per Mehrheitsbeschluss beendet werden - auch wenn noch Zeugen auf der Ladungsliste stehen oder wenn noch nicht alle Themen abgearbeitet wurden. Bei einem "Minderheits-Ausschuss" ist ein "Abdrehen" durch die Mehrheit dagegen nicht möglich. Bisher wurden der Hypo-, der zweite Eurofighter- und der BVT-U-Ausschuss von einer parlamentarischen Minderheit eingesetzt.
In der vergangenen Legislaturperiode tagten mit dem BVT- und dem dritten Eurofighter-U-Ausschuss zwei Untersuchungsausschüsse zeitgleich. Damit gab es bisher 23 U-Ausschüsse. Zwei davon (jener zur UNO-City 1971 sowie jener zu den Flugzeugankäufen der Bundesheeres 1971) konnten wegen der vorzeitigen Auflösung des Nationalrats ihre Arbeit nicht beenden und wurden in der darauffolgenden Gesetzgebungsperiode neuerlich eingesetzt. Daher gibt es (laut Geschäftsordnung des Nationalrates) auch eine andere Zählweise, die bisher 25 U-Ausschüsse auflistet.
(APA)