Blick von der Canovagasse auf die Schablone des Stadtmuseums, 1910, Silbergelatinepapier, 17,9 × 23,8 cm
Architektur

Otto Wagner und die Fotografie: Message control à la Wien um 1900

Jüngst entdeckte Fotografien aus dem Nachlass Otto Wagners zeigen den Pionier der modernen Architektur als klug kalkulierenden Medienstrategen. Zu sehen im „Photoinstitut Bonartes“, Wien.

So einfach kann alles sein. Eines Tages, so die Fotohistorikerin Monika Faber, sei eine Frau bei ihr vor der Tür gestanden, eine Mappe in der Hand. Die stamme aus der Verlassenschaft ihrer kürzlich verstorbenen Mutter, einer Nachfahrin Otto Wagners, und müsse wiederum direkt aus dem Nachlass Wagners stammen. Der Inhalt: gut 80 Fotografien, die zu den erstaunlichsten – und wissenschaftlich wertvollsten – Entdeckungen der jüngeren Wagner-Geschichtsschreibung zählen. Eine illustrative Auswahl ist derzeit in den Ausstellungsräumen von Monika Fabers Photoinstitut Bonartes zu sehen.

Der Reihe nach. Dass Otto Wagner (1841–1918) als einer der bedeutendsten Pioniere der modernen Architektur anzusehen ist, sollte spätestens das Otto-Wagner-Jahr 2018 vermittelt haben. Kaum geläufig dagegen ist, dass sich seine Begeisterung für das Neue keineswegs auf seine Profession im engeren Sinn beschränkte, sondern sich nicht zuletzt auf die Vermittlung seiner Arbeiten erstreckte. Dazu schien ihm neben der Produktion bis heute ungebrochen faszinierender Präsentationszeichnungen insbesondere das rund um das Fin de Siècle noch vergleichsweise junge Medium Fotografie geeignet. Nicht dass Wagner damit allein gewesen wäre. Wie er allerdings Fotografie einsetzte, scheint jedenfalls für das Feld der Architektur ohnegleichen.

Eine gezielte Bildpolitik

Am auffallendsten womöglich die gezielte Bildpolitik, die er betrieb: Es geht ihm keineswegs um die pure, quasi objektive Abbildung der Objekte; ganz und gar subjektiv werden einzelne Details hervorgehoben, dann wieder nachgerade abenteuerliche Bildwinkel und Bildausschnitte gewählt, sei es, um das aus seiner Architektensicht Wichtige zu betonen, sei es, um einen Eindruck davon zu vermitteln, wie ein Gebäude auf einen nur beiläufig vorbeieilenden Passanten wirken mag. Dass Wagner, wie man aus dem nun vorliegenden Bestand erstmals erkennen kann, sich nicht darauf verließ, es genüge, entsprechende Bildausschnitte vor der Reproduktion auf den Abzügen einzuzeichnen, dass er vielmehr Abzüge an den ihm richtig scheinenden Stellen kurzerhand in Stücke teilte, um nur ja keine Missverstände darüber aufkommen zu lassen, was genau er ins Bild gesetzt sehen wollte, ist aus heutiger Sicht mehr als erstaunlich: So etwas, bekennt Monika Faber, habe sie aus dieser Zeit noch nie gesehen. Message Control à la Wien um 1900.

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