Replik

Den Kritikern des Zölibats geht es um Stimmungsmache

Bei der aktuellen Kirchendebatte geht es um zwei konträre Kirchenmodelle.

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Der Zölibat ist kein Dogma. Petrus war – wie die meisten anderen Jünger – auch verheiratet. Zudem wurde der verbindliche Priesterzölibat erst im zwölften Jahrhundert eingeführt. Abgesehen davon könnten doch in Wahrheit nur verheiratete Priester Eheprobleme kompetent beurteilen etc. Die Argumente sind bekannt. Diesen (teils stereotypen) Einwänden gegen den Zölibat könnte man entgegenhalten: Jesus selbst war nicht verheiratet, sondern empfahl vielmehr die Ehelosigkeit „um des Himmelreiches Willen“ (Mt 19,12); wie übrigens auch der Apostel Paulus (1 Kor 7,8). Und noch einiges mehr.

Doch um eine sachgerechte Auseinandersetzung geht es den Kritikern des sogenannten Pflichtzölibats in der aktuellen Diskussion gar nicht. Vielmehr um gezielte Stimmungsmache gegen ihre „Lieblingsfeinde“. Anders kann man beispielsweise die polemischen Aussagen von Hans Rauscher, der Kardinal Sarah als „Mitglied der reaktionären Kamarilla im Vatikan“ bezeichnet („Standard“ vom 14.1. 2020), bzw. die respektlose Bemerkung von Frédéric Martel in seinem jüngsten „Presse“-Gastkommentar (16.1.2020), der Benedikt XVI. als „alten, ein wenig senilen Mann“ abkanzelt, nicht beurteilen. Wohlgemerkt: Wir sprechen beim emeritierten Papst von einem der größten katholischen Denker der letzten 50 Jahre.

Kirche als „Beliebigkeitsverein“

Die Debatte dreht sich in Wahrheit um zwei Kirchenmodelle, die längst nicht mehr kompatibel sind. Auf der einen Seite stehen die Bewahrer, die die katholische Glaubens- und Sittenlehre (unverkürzt) vertreten, die von einer herausragenden Stellung des Priesters als Vollzieher des heiligen Messopfers ausgehen. Völlig konträr ist das Gegenkonzept: Durch Abschaffung des Zölibats, Einführung des Frauenpriestertums, De-facto-Angleichung von Laien und Priestern sowie schließlich die Aufweichung der katholischen Morallehre soll die katholische Kirche zu einem basisdemokratischen Beliebigkeitsverein umgemodelt werden.

Die Forderung des „Frauenpriestertums“ verdeutlicht exemplarisch das Dilemma der gegenwärtigen Debatte: Im Apostolischen Schreiben „Ordinatio Sacerdotalis“ vom 22. Mai 1994 erklärte Papst Johannes Paul II., dass die Kirche keinerlei Vollmacht habe, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich die Gläubigen „endgültig“ an diese Entscheidung zu halten haben. Spätestens seit diesem Zeitpunkt sollte diese Diskussion eigentlich beendet sein. Denn was in der katholischen Kirche „endgültig“ entschieden wurde, kann folgerichtig nicht mehr abgeändert werden (auch nicht von einem späteren Papst).

Was kümmert das die modernen Katholiken? Nichts. Sie stellen weiter Forderungen, die mit einem traditionellen Verständnis nicht in Einklang zu bringen sind.

Franziskus: „Diese Tür ist zu“

Sie haben dabei die Rechnung ohne Franziskus gemacht, der – unter Hinweis auf „Ordinatio Sacerdotalis“ – zur Priesterweihe von Frauen bereits bekräftigte: „Diese Tür ist zu.“ Aber auch beim „heißen Eisen“ Zölibat ist ihre Hoffnung vergebens, wie die jüngste Stellungnahme des vatikanischen Mediendirektors, Andrea Tornielli, in „Vatican News“ (13.1.2020) zeigt, wonach Papst Franziskus keine Absichten hege, den Zölibat abzuschaffen. Insofern ist der von außerhalb der Kirche vorgenommene Versuch, einen Keil zwischen Papst Franziskus und Papst emeritus Benedikt XVI. in dieser Frage zu treiben, gescheitert.

Die katholische Kirche wird daher ihre Entscheidungen auch nicht unter Papst Franziskus auf Zurufe des kirchenkritischen Mainstreams treffen. Gegenteiliges wäre vielmehr der Beginn ihrer stufenweisen Selbstaufgabe.

Dr. Michael Etlinger ist Jurist und seit 1999 in verschiedenen Institutionen für den öffentlichen Dienst tätig.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2020)

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