Sport-Club

Sport mit Mord

Rudern scheint derzeit im Trend zu liegen. Wobei: Wann beginnt etwas, trendy zu sein? Reichen zwei, drei, vier, fünf Fälle schon aus? Eher nicht.

Ich lasse also eine gewisse journalistischen Vorsicht walten und sage lieber so: Die Häufigkeit des Kaufes von Rudergeräten ist in meinem Umfeld zuletzt auffallend hoch gewesen.

Eines davon durfte ich zuletzt testen. So sollte meine offen zur Schau gestellte Skepsis gemildert werden. Ich habe die Rudergerätkäufer in meinem Umfeld nämlich ungefragt mit Warnhinweisen überhäuft. Das sperrige Ding werde ohnehin bald unbenützt in der Ecke stehen. Indoor-Radfahren sei gerade noch akzeptabel, Indoor-Laufen schon kaum erträglich und Indoor-Rudern die Steigerung davon.

Ich stand im Sportoutfit im Wohnzimmer und versuchte mich selbst auszutricksen. Der nächste Teil der spannenden Krimiserie sollte auf dem Rudergerät geschaut werden. Sport mit Mord quasi. Ich positionierte das Rudergerät mit gutem Blick auf das Fernsehgerät, nahm auf dem klapprigen Stuhl Platz und begann mich mit dem Griff in der Hand zurück und wieder nach vor zu schieben. Der Stuhl ruckelte, die Spule quietschte und das gesamte Gerät hämmerte. Selbst die wildesten Schusswechsel auf dem Fernsehbildschirm waren da nur schwer und die Dialoge überhaupt nicht zu hören. (Ja, das Rudergerät muss in Aktion gekauft worden sein.) Die Sekunden schienen im Tempo von Stunden zu vergehen. Ich wollte aufgeben – nicht aufgrund körperlicher Anstrengung, sondern aufgrund psychischer Erschöpfung. Doch irgendwann, als ich mich weniger auf die Sekundenanzeige des Rudergeräts und mehr auf den Film konzentrierte, wurden die Quietschgeräusche leiser, die Bewegungen erträglicher. Bald würden die 15 Minuten vorbei sein.

Als sie es waren, ruderte ich weiter. Ein bisschen geht noch. 20 Minuten sind auch zu schaffen. Aber eigentlich immer noch wenig. Deshalb hab ich noch einmal zehn Minuten drauf gelegt. Nach 30 Minuten war ich zufrieden. Zur rudernden Trendsetterin werde ich aber wohl nicht werden.

E-Mails an:julia.neuhauser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2020)

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