Coronavirus

Wuhan: Eine Millionenmetropole unter Quarantäne

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In der chinesischen Elf-Millionen-Stadt machte sich am Donnerstag Panik breit. Mitten in der Nacht hatte die Regierung angekündigt, den gesamten Nah- und Fernverkehr zu stoppen. In China sind mindestens 620 Menschen an der Lungenkrankheit erkrankt.

Vor Tagen schon hatte sich unter Beamten das Gerücht breit gemacht, dass es bald keinen Weg mehr aus der Millionenmetropole Wuhan geben könnte. Die, die konnten, hatten die Stadt im Landesinneren schon zu Beginn der Woche verlassen. Am Donnerstag war es dann soweit: Die Behörden riegelten die Elf-Millionen-Metropole, die als Brutherd für die neue, sich rasant ausbreitende Lungenkrankheit gilt, praktisch ab.

Später wurde bekannt, dass auch drei weitere Städte, Huangguang, Ezhou und Chibi abgekapselt werden sollen. Und die Hauptstadt Peking sagte Großveranstaltungen zur Feier des chinesischen Neujahrsfests am Wochenende ab. Selbst einige touristische Attraktionen bleiben geschlossen.

Ab der Früh wurden Flüge, Züge, Fähren und Fernbusse aus Wuhan gestoppt. Die Hauptstadt der Provinz Hubei stellte U-Bahnen und Busse ein. Mehrere Schnellstraßen, die in die fünftgrößte Stadt des Landes führen, wurden gesperrt. Medizinisches Personal kontrollierte an Mautstellen und Checkpoints alle Menschen, die mit Privatautos aus der Stadt reisen wollen. Die Bewohner dürfen die Metropole nur noch unter Angabe besonderer Gründe verlassen.

Mitten in der Nacht - um zwei Uhr - hatte die Lokalregierung die Maßnahme angekündigt. Die Bevölkerung wurde überrascht. Als die Menschen in der Früh von der Blockade erfuhren, machte sich Panik breit: Einige versuchten noch, die letzten Züge zu erwischen. Die Bevölkerung strömte in die Supermärkte und auf lokale Märkte, um sich mit Vorräten einzudecken. Berichte, dass Lebensmittelpreise in die Höhe schnellten, machten sich breit.

Andrang auf Tankstellen

Tankstellen wurden von Massen an Autofahrern überwältigt: Es kursierten Gerüchte, dass die Sprit-Reserven ausgehen könnten. Zwar wurden die Menschen aufgefordert, nur noch mit Schutzmasken in die Öffentlichkeit zu gehen. Wer in Hotels, Restaurants, Einkaufszentren oder Parks keine Maske trage, werde bestraft, berichtete die Zeitung "China Daily". Doch bald schon gingen Apotheken die Gesichtsmasken aus. Chinesische Hersteller arbeiten auf Hochtouren, um weitere Lieferungen zur Verfügung stellen zu können.

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Auf den sonst so geschäftigen Straßen, in den für gewöhnlich überfüllten Restaurants und Einkaufszentren machte sich gespenstische Stille breit, berichten Einwohner chinesischen Medien. Viele sperrten sich Zuhause ein, strichen ihre Pläne für das chinesische Neujahr am Freitag, das sonst mit viel Lärm und Pomp gefeiert wird. Die Angst vor dem neuartigen Coronavirus wurde durch Berichte, dass erkrankte Patienten von überlasteten Spitälern weggeschickt werden, verschärft.

Lokale Behörden versuchten, die Bürger über soziale Medien zu beruhigen: „Verfallt nicht in Panik. Glaubt an euer Land und eure Ärzte. Die ganze Nation steht zu euch. Wir schaffen das!“, hieß es in einem Kommentar auf der Social-Media-Plattform Wechat.

Wuhan ist wichtiger Verkehrsknotenpunkt

Mittlerweile ist die Zahl der bestätigten Fälle in der Volksrepublik auf mindestens 620 gestiegen. 17 Menschen sind bereits ums Leben gekommen. Der Virus hat sich mittlerweile in großen Teilen Chinas und auch über die Landesgrenzen hinaus verbreitet. Die Krankheit wurde bereits in Japan, Südkorea, Taiwan, Thailand und den USA nachgewiesen. Experten des Imperial College London gehen aber davon aus, dass bis zum 18. Jänner bei etwa 4000 Menschen in der chinesischen Stadt Wuhan Symptome aufgetreten sind. 

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Befürchtet wird eine beschleunigte Ausbreitung des Virus, da sich vor dem heimischen Neujahrsfest Hunderte Millionen Chinesen auf den Weg machen, um Verwandte und Freunde zu besuchen. Wuhan grenzt an neun Provinzen und ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Es ist nur wenige Stunden von Chinas wichtigsten Städten entfernt und daher ein großes Verteilzentrum im Hochgeschwindigkeitszugnetz. Am Jangtse gelegen beherbergt Wuhan zudem einen der größten Häfen auf dem 6397 Kilometer langen Fluss.

Es wird vermutet, dass die Quelle des Coronavirus ein Wildtier auf einem Fischmarkt in Wuhan war. Es wurde nach Expertenmeinung zunächst vom Tier zum Menschen übertragen, bevor das Virus sich an seinen neuen Wirt anpasste und es zu Übertragungen zwischen Menschen kam.

WHO: Keine „internationale Notlage"

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rief trotz der rasanten Zunahme von nachgewiesenen Infektionen mit dem neuen Virus vorerst keine "gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite" aus. Der Notfallausschuss, der die WHO berät, sah dafür am Mittwoch keinen Anlass, wollte aber am Donnerstag erneut tagen. Der Notfall-Ausschuss empfahl, den Informationsaustausch unter den Staaten weiter zu verbessern. Allerdings seien sich die Mitglieder des Notfallausschusses in der Beurteilung der Situation nicht einig gewesen.

In Europa gab es bis Mittwoch keine bestätigten Erkrankungen. Die EU-Präventionsbehörde ECDC sprach von einem moderaten Risiko, dass der Erreger in die Europäische Union eingeschleppt werde. Noch sei unklar, wie schwerwiegend und wie tödlich die Krankheit sei, meinte ECDC-Direktorin Andrea Ammon.

Im Gegensatz zum Ausbruch des SARS-Virus, der in China begann und in den Jahren 2002 bis 2003 fast 800 Menschen tötete, veröffentlicht die chinesische Regierung regelmäßig neue Zwischenstände, um Panik in der Öffentlichkeit zu vermeiden. Die stellvertretende chinesische Ministerpräsidentin Sun Chunlan erklärte staatlichen Medien zufolge während eines Besuchs in Wuhan, dass die Behörden offen im Umgang mit dem Virus und mit dessen Bekämpfung sein müssten.

Trotz der Bemühungen Chinas zeigten sich asiatische Anleger angesichts der Furcht vor der Ausbreitung des Virus am Donnerstag aber verschreckt. In der Volksrepublik brachen die Aktien zeitweise um knapp vier Prozent ein - das ist der größte Kursverlust seit Mai 2019, als US-Präsident Donald Trump mit zusätzlichen Zöllen drohte. Auch an den Börsen in Hongkong und Japan ging es abwärts.

(me)

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