Eine geplante Reform der türkischen Regierungspartei bringt Frauenverbände zur Weißglut. Sexuelle Gewalt gegen Kinder und junge Frauen werde entkriminalisiert, befürchten Aktivisten.
Demnächst soll eine Amnestie-Welle über die Türkei rollen. Das ist zumindest Teil eines Reformpaketes der konservativ-nationalistischen Koalitionsregierung, das bis Ende Jänner dem Parlament vorgelegt werden soll. Ja, eine groß angelegte Amnestie könnte die Türkei gut gebrauchen, man denke an die vielen Gefangenen, die wegen Facebook-Postings, Beleidigung des Präsidenten oder trotz dünnster Beweislage wegen Mitwirkung beim Putschversuch 2016 verurteilt wurden. Vielen von ihnen warf die Justiz Terrorpropaganda oder Mitgliedschaft einer Terrorgruppe vor, doch diese Straftaten sind – wenig überraschend – von der Amnestie explizit ausgenommen.
Hingegen lässt ein anderer Aspekt der geplanten Reform Interpretationsspielraum offen – und das bringt Frauen- und Menschenrechtsverbände zur Weißglut. Denn: Einerseits heißt es, dass Sexualverbrechen nicht von der Amnestie betroffen seien; und andererseits, dass „Opfer von früher/ arrangierter Heirat“ von dieser Novelle profitieren sollen. Für die Kritiker heißt das vor allem: Die Kriminalisierung von sexueller Gewalt bleibt, doch kann sexuelle Gewalt gegen Kinder entkriminalisiert werden.