Schulden

Gehen Junge schlecht mit Geld um?

Handy, Unterhaltungselektronik, Urlaub - viele junge Menschen verschulden sich für Konsumausgaben.
Handy, Unterhaltungselektronik, Urlaub - viele junge Menschen verschulden sich für Konsumausgaben.(c) imago/PhotoAlto (Sigrid Olsson)
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Immer mehr junge Menschen landen auf der Warnliste, warnt der Kreditschutzverband. Die Misere beginnt oft mit überzogenen Konsumwünschen.

Wien. 26 Jahre alt und nicht allzu bildungsnahe. So könnte man den Personentyp beschreiben, der in Österreich am ehesten auf der Warnliste des Kreditschutzverbandes (KSV1870) landet. Dort werden Menschen mit massiven Zahlungsproblemen erfasst – wegen unbeglichener Kontoüberziehungen, die den Rahmen sprengen, oder nicht zurückgezahlter Kredite.

Etwa 300.000 Personen stehen auf der Warnliste. Die Zahl der Neuzugänge pro Jahr ist stark im Steigen begriffen: Vor fünf Jahren wurden rund 13.000 Personen neu eingetragen, zuletzt waren es 20.000, berichtet KSV-1870-Chef Ricardo-José Vybiral vor Journalisten. Der Anteil der jüngeren Menschen unter 35 Jahren macht dabei knapp die Hälfte aus. Und den allergrößten Zuwachs gab es eben bei den 26-Jährigen. Am Mythos, dass junge Leute nicht mit Geld umgehen können, sei etwas Wahres, folgern die Kreditschützer.

Zumal es vor allem Konsumausgaben sind, für die sich viele verschulden – Handy, Unterhaltungselektronik, Urlaub. Gerhard Wagner, Geschäftsführer der KSV1870 Informations GmbH und Herr über den Datenpool des KSV, formuliert es vorsichtig: Die Fähigkeit, die eigene finanzielle Leistungsfähigkeit richtig einschätzen zu können, sei oft wenig ausgeprägt. Was direkt zur Finanzbildung führt – einem Thema, das Vybiral und Wagner sichtlich am Herzen liegt. Beide gehen immer wieder in Schulen, um Jugendlichen den Umgang mit Geld näherzubringen, auch andere Mitarbeiter des KSV tun das. Zudem kooperiere man mit verschiedenen Institutionen wie der WU Wien oder der Bildungsinitiative „Teach for Austria“, berichten sie.

Eine Million Neukredite

Der Wirtschaftskundeunterricht allein sei „nicht zeitadäquat“, sagt Vybiral, er sieht hier „Verbesserungspotenzial“ und plädiert für eine Wochenstunde Finanzbildung an den Schulen, projektorientiert, eventuell geblockt und themenbezogen: mein Handy, meine erste Wohnung, meine erste Reise, mein erster Kredit. Was zum Kernthema führt – dem Umgang mit Verschuldung, sowohl aus Banken- als auch aus Verbrauchersicht.

Im Datenpool des KSV werden jährlich rund 1,1 Millionen Kreditbewegungen registriert, etwa eine Million entfällt auf neue Kreditabschlüsse, der Rest sind Vertragsänderungen wie Laufzeitverlängerungen oder Aufstockungen. Feststellbar sei dabei zunächst, dass der Kreditmarkt insgesamt, selbst über Jahrzehnte betrachtet, weitgehend stabil sei, sagt Wagner: Selbst die Finanzkrise habe in Österreich – zusammen mit neuen Regularien – zwar eine Delle, aber keinen Einbruch bei den Kreditvergaben bewirkt. Seit 2008 haben sich allerdings die Laufzeiten verlängert und die Beträge erhöht. Bei den typischen Konsumkrediten dominieren jetzt Laufzeiten von 36 Monaten und Beträge von 5000 oder 10.000 Euro. Bei Hypothekarkrediten sind die Laufzeiten von 300 auf 360 Monate gestiegen, die Kreditsummen wuchsen parallel zu den Immobilienpreisen an. Am häufigsten sind Kreditbeträge von 100.000 Euro, gefolgt von 150.000 und 200.000 Euro.

Kein Kredit mehr für Ältere?

Festgestellt wurde auch ein deutliches Stadt-Land-Gefälle: Der „klassische Kreditnehmer“ ist demnach Städter und agiert konsumgetrieben. Am Land werden dagegen vor allem „unbedingt nowendige“ Kredite aufgenommen, etwa für den Hausbau – dann freilich größere Beträge. Andere Mythen in Sachen Kreditvergabe bestätigt die Auswertung dagegen nicht: Etwa, dass ältere Menschen keinen Kredit mehr bekommen. Die Zahl der pensionsnahen Kreditnehmer ist sogar massiv gestiegen, auch die Kreditbeträge der Älteren sind höher, nicht zuletzt wegen ihrer im Schnitt besseren Bonität.

Und auch mit siebzig kann man durchaus noch einen Hypothekarkredit erhalten. Bei Konsumfinanzierungen muss man dann allerdings damit rechnen, dass man statt eines Kredits bloß einen höheren Überziehungsrahmen eingeräumt bekommt. (cka)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2020)

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