Porträt

Schaden erkennen, bevor er entsteht

„Wir wollen Vorkehrungen treffen, dass die Technologie nur für Gutes eingesetzt wird“, sagt Prewave-Gründerin Lisa Smith.
„Wir wollen Vorkehrungen treffen, dass die Technologie nur für Gutes eingesetzt wird“, sagt Prewave-Gründerin Lisa Smith.(c) Guenther Peroutka
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Aus ihrer Dissertation an der TU Wien wurde ein Spin-off-Unternehmen. Lisa Smith entwickelte ein Instrument, das mithilfe von künstlicher Intelligenz Risken vorhersagt.

Beispiel Automotive-Industrie. Ein Lieferant droht insolvent zu werden oder kann aus einem anderen Grund nicht wie versprochen liefern. In der Folge stockt die Produktion beim Autohersteller oder kommt ganz zum Erliegen. Schaden, mitunter enormer, ist nicht zu verhindern. „Oft weiß man vor Ort längst, dass es in einem Zulieferunternehmen kriselt“, sagt Lisa Smith, doch ein großes Industrieunternehmen mit zum Teil tausend und mehr Lieferanten kann das nicht alles im Blick haben.

Jedenfalls nicht so gut wie der Algorithmus, den die 31-jährige Wienerin bereits während ihres Doktoratsstudiums in Informatik an der Technischen Universität Wien entwickelt hat. „Wir nutzen alle möglichen Datenquellen wie Social Media oder lokale Nachrichtennetzwerke, um Lieferketten zu monitoren oder andere Risken vorherzusagen“, sagt die Gründerin des Artificial-Intelligence-Unternehmens Prewave. „Ziel ist es, lokale Umwelt- und Sozialrisken global sichtbar zu machen und durch Echtzeiterkennung, Prognosen und Risikoeinschätzungen Lieferketten nachhaltiger zu gestalten.“ Und Schäden zu vermeiden. Zu den Kunden des 2017 gegründeten Unternehmens zählen auch Versicherungen, Banken und NGOs.

Die Palette der Ereignistypen, die von Prewave überwacht werden, ist breit. Das können arbeitsrechtliche Entwicklungen ebenso sein wie Unruhen in der Belegschaft, Kinderarbeit oder Diskriminierungen am Arbeitsplatz. Oder Umweltthemen wie Luftverschmutzung, Wasserbeeinträchtigung oder Abfallproblematiken. Politische Veränderungen und Korruptionstatbestände stehen ebenso unter Beobachtung wie Cyber Risks. Auch um Shitstorms vorzubeugen.

Dabei greift das Start-up auf öffentlich zugängliche Daten in mehr als 50 Sprachen zu, um lokale Ereignisse global sichtbar zu machen. Ein eigens festgeschriebener Moralkodex sorgt zudem dafür, dass auf ethischer, rechtlicher und sozialer Ebene verantwortungsvoll gehandelt wird: „Wir wollen Vorkehrungen treffen, dass die Technologie nur für Gutes eingesetzt wird“, sagt Smith.

Der beinahe tägliche Spagat

Noch ist das Unternehmen ein Start-up. Doch auch bei zehn Mitarbeitern sei es mittlerweile nicht mehr möglich, dass jede und jeder alles weiß und in alle Entwicklungen und Entscheidungen eingebunden ist, sagt Smith. Es würden sich schon jetzt Subteams bilden, und es brauche gewisse erste strukturierte Prozesse. Auch wenn sie versuche, diese so gering und so schlank wie möglich zu halten. „Auch bei unserer Größe braucht es einen Prozess, wie man zum Beispiel die Urlaube plant.“

Ein Spagat, denn „es dürfen nicht zu viele und nicht zu wenige Prozesse sein – und sie dürfen vor allem nicht zu spät kommen. Wir müssen immer wieder iterieren“, sagt sie. Mit „wir“ meint sie ihren Co-Geschäftsführer Harald Nitschinger, der sich vor allem um die kaufmännischen Dinge kümmert, aber letztlich auch um das gesamte Team.

Und natürlich hat Smith, so wie es in Start-ups eben typisch ist, viele verschiedene Hüte auf. Schließlich „gibt es noch wenig Ressourcen, aber vielfältige Aufgaben. Und man macht eben viele zum ersten Mal.“ Etwa Verträge zu verhandeln und abzuschließen: bei der Gründung, bei der Finanzierung, mit Mitarbeitern genauso wie mit Kunden.

Mitarbeiter wie Kunden sehen

So sieht sie als eine ihrer wichtigsten Aufgaben als Führungskraft, die Prioritäten zu setzen und die Richtung vorzugeben. Sowohl im fachlichen Bereich als auch im organisatorischen. Und trotz der Jugend des Unternehmens langfristig zu planen. „Ziel muss es sein, langfristige Beziehungen aufzubauen“, sagt Smith. Mit den Kunden, klar. Aber auch mit potenziellen Mitarbeitern, die vielleicht erst in einem Jahr oder noch später zum Team stoßen könnten.

Im Moment kennt sich rund die Hälfte der Mitarbeiter aus der gemeinsamen Zeit in der HTL in der Wiener Spengergasse. Doch vermehrt ist das Unternehmen auf Netzwerke außerhalb der Maturaklasse angewiesen, um an weitere Mitarbeiter zu kommen. Und da sollten beim Spezialisten für Risikoeinschätzung schon gar keine Risken eingegangen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2020)

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