3-D-Druck

Gegenstände, die sich von selbst formen

3-D-Druck (Symbolbild).
3-D-Druck (Symbolbild).(c) imago/Westend61 (imago stock&people)
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Wie sich flache Ausdrucke selbstständig zu komplexen dreidimensionalen Gegenständen formen können, haben niederösterreichische Forscher herausgefunden. Die Methode eröffnet neue Möglichkeiten im Industrial Design.

Das klingt doch praktisch: Wer beispielsweise ein Möbelstück kauft, erwirbt nicht ein sperriges, schwer zu transportierendes Ungetüm, sondern trägt eine handliche, flache Kunststoffplatte nach Hause. Dort abgestellt, entfaltet sie sich binnen weniger Minuten zu einer ästhetisch geschwungenen Couch mit zurückklappbarer Lehne.

So könnte die Zukunft aussehen, wenn eine Entwicklung des Institute of Science and Technology (IST) Austria im Bereich Industrial Design Fuß fasst. Ein Team rund um den Informatiker Bernd Bickel erfand eine Möglichkeit, wie sich Objekte, die als flache Scheiben aus dem 3-D-Drucker kommen, in einem vordefinierten zeitlichen Ablauf in eine festgelegte Form krümmen und sich so etwa zu einem Sofa formen. „Wir haben dafür eine Software entwickelt, mit der wir nicht nur Mikrostrukturen drucken können, sondern die auch das Materialverhalten mitprogrammiert“, erklärt der Wissenschaftler. Ein Algorithmus errechnet, wie und in welcher Abfolge sich die millimeterkleinen einzelnen Zellen der ursprünglich flachen Struktur nach dem Ausdruck verändern.

Blumen aus Kunststoffplatten

Getestet haben die Forscher dies unter anderem an einem Objekt, das in fertig entfaltetem Zustand einer Blume ähnelt. Um festzulegen, in welcher Reihenfolge sich die einzelnen Blütenblätter aufrichten sollen, damit sie sich nicht gegenseitig behindern, markierten die Wissenschaftler das Modell auf dem Computerbildschirm mit unterschiedlichen Farben, denen verschiedene Verformungsgeschwindigkeiten zugeordnet waren. Danach simulierte der Computer die Verformung und schickte die Daten an den 3-D-Drucker, wo schließlich die Struktur hergestellt wurde.

Hauptverantwortlich für die Verformung sind die Verbindungsstücke zwischen den Zellen, erläutert Bickel und vergleicht diese Elemente mit Klammern. Sie beeinflussen den Winkel, den jede Zelle im Verhältnis zu ihrer Nachbarin nach dem Entfalten einnimmt, und die Geschwindigkeit, mit der diese Verformung geschieht. „Je dicker die Klammer, desto langsamer ist der Vorgang“, schildert Bickel. Die Stärke jeder einzelnen Klammer wird vom Computer berechnet.

Als Material wählten die Forscher einen Kunststoff, bei dem Erwärmung die Formveränderung in Gang setzt. Konkret: Die ursprüngliche Platte wurde in ein 56 Grad heißes Wasserbad gelegt. Nach rund 80 Sekunden war die Blume fertig und verfestigte sich beim anschließenden Trocknen. „Das gleiche Prinzip kann man aber auch für Kunststoffe verwenden, bei denen die Formgebung durch Lichtzufuhr ausgelöst wird“, sagt Bickel. „Oder für Holz, wo die Aufnahme von Flüssigkeit die Initialzündung liefert.“

Federführend bei der Entwicklung des Verfahrens war IST-Doktorand Ruslan Guseinov, der dabei mit Experten des California Institute of Technology in den USA und der Rey-Juan-Carlos-Universität in Spanien kooperierte. „Anders als bei ähnlichen Ansätzen können wir Objekte mit beliebig gekrümmten Oberflächen erzeugen und unsere Methode mit anderen Herstellungsverfahren kombinieren“, hebt Bickel hervor. Seine Vision: nicht nur Alltagsgegenstände, sondern auch Roboter, die sich gleichsam selbst zusammenbauen. Vom Konzept bis zum allfälligen industriellen Einsatz wird es allerdings noch dauern, räumt der Forscher ein.

Lexikon

CurveUps nennen die IST-Forscher die Platten aus dem 3-D-Drucker, die sich, wie vom Algorithmus vorgegeben, selbstständig verformen. Die Methode lasse auch die Herstellung besonders stabiler Strukturen zu, erklärt Ruslan Guseinov, einer der Erfinder. Konkret wurde beispielsweise ein Stativ erzeugt, das doppelt so viel Gewicht aushält wie übliche Stative. Möglich ist das, indem die Mikrostrukturen besonders tragfähige Doppelspiralen oder selbstverwebende Formen bilden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2020)

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