Zoologie

Wie Schaben dem Zitronenduft folgen

Geruchsempfindliche Schaben.
Geruchsempfindliche Schaben.(c) Getty Images/National Geographic (George Grall)
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Forscher der Uni Wien zeigten erstmals, dass Insekten erkennen, wie stark sich die Konzentration eines verlockenden Geruchs ändert. Entgegen herkömmlicher Meinung spielt die Luftgeschwindigkeit dabei keine Rolle.

Sowohl aus Biologiebüchern als auch von Quizfragen kennen viele den beeindruckenden Geruchssinn von Insekten: Seidenspinnerschmetterlinge erkennen sogar ein einziges Molekül des weiblichen Sexuallockstoffs, die Männchen können über viele Kilometer der Duftwolke der Pheromone folgen. Wissenschaftler beschäftigt schon längst die Frage, wie Insekten die Richtung zur Duftquelle erkennen: Denn durch Wind und Umgebung ändern sich Richtung und Geschwindigkeit des Luftstroms ebenso wie die Konzentration der Duftmoleküle. „Verhaltensversuche haben gezeigt, dass eine Duftwolke nicht nur bei verschiedenen Luftgeschwindigkeiten eine Schabe zum Futterplatz, Partner oder der Eiablagestelle führt, sondern sogar bei Windstille die Richtung zur Duftquelle anzeigt“, sagt Maria Hellwig vom Department für Neurowissenschaften der Uni Wien.

Im Team von Harald Tichy untersucht sie den Geruchssinn von Schaben und misst mit Alexander Martzok die Nervenaktivität der Geruchsrezeptoren in deren Antennen. Sie widerlegten dabei die herkömmliche Annahme, dass neben der Konzentration der Duftmoleküle auch die Geschwindigkeit des Luftstroms für die Orientierung wichtig ist.

Weltweit einzigartiger Apparat

„Die Geschwindigkeit, mit der wir einen Duft oder eine Flüssigkeit aufnehmen, hat keinen Einfluss auf die Intensität unserer Wahrnehmung. Schnüffeln verbessert zwar die Duftwahrnehmung, aber indem durch das verstärkte Einatmen der Luftstrom effizienter an das Riechepithel geführt wird. Ein Getränk schmeckt nicht süßer, wenn es schneller getrunken wird“, sagt Tichy. Um die Unterschiede im Erkennen von Duftwolken bei Insekten und Wirbeltieren zu untersuchen, entwickelte das Wiener Team eine weltweit einzigartige Apparatur, mit der sich die Duftkonzentration unabhängig von der Luftgeschwindigkeit kontrollieren lässt. Die an der Apparatur fixierten Schaben werden also entweder bei wechselnden Luftgeschwindigkeiten mit einer konstanten Zitronenduftkonzentration umspült, oder bei konstanter Luftgeschwindigkeit mit wechselnden Duftkonzentrationen. „Der Bau dieser Messapparatur hat einige Jahre gedauert, es steckt viel studentische und auch unentgeltliche Hilfe von Kollegen darin“, erzählt Hellwig, die selbst gefördert vom Wissenschaftsfonds FWF daran arbeitet. Die Trennung der Faktoren Luftgeschwindigkeit und Konzentrationsänderung machte nun erstmals sichtbar, dass Schaben immer erkennen, ob sich eine Duftkonzentration ändert – ganz egal, wie schnell die Luft strömt.

Die im Fachmagazin Frontiers in Physiology publizierten Ergebnisse zeigen, dass diese Insekten messen, mit welcher Geschwindigkeit sich Duftkonzentrationen ändern. „Fliegende Insekten wie Schmetterlinge finden andere Bedingungen vor wie Küchenschaben, die auf dem Boden in geschlossenen Räumen Futter aufspüren“, sagt Hellwig. Denn ein Schmetterling stößt in turbulenter Luft auf verwirbelte „Duftpakete“, bei denen es zu sehr schneller Änderung der Duftkonzentration kommt. Schaben finden aber in Räumen viel langsamere Änderungen der Duftkonzentration vor.

Die aktuellen Experimente zeigen also, dass Schaben auch daraus Information über die Lage der Duftquelle beziehen können. Gemessen wurde dies mit einem Futterduft, aber die Mechanismen können genauso für den Geruch von Sexualpartnern oder von Gefahren funktionieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2020)

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