Gastbeitrag

Was Lothar Höbelts Kritiker nicht bedenken wollen

(c) Peter Kufner
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Es ist allgemein bekannt, welcher Partei Lothar Höbelt nahesteht. Man muss das nicht goutieren, aber es ist seine Privatsache.

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„Es ist uns ein Rätsel, wie eine Person mit einer so rechtsextremen Manier wie Höbelt am Institut für Geschichte angestellt werden konnte und noch immer dort arbeitet.“ – „Es ist ein Skandal, dass Höbelt noch an der Uni Wien unterrichten darf.“ – „Auch im europäischen Vergleich ist es eine Schande, dass ein Rechtsextremer wie Höbelt an der Uni Wien lehren darf.“ – „Wir unterstützen die Proteste von Studierenden gegen rechtsextremes Gedankengut an der Uni und fordern erneut die Entlassung von Höbelt.“

In Österreich kann man Beamte nach Dienstpflichtverletzungen entlassen, ein Amtsverlust folgt auch nach bestimmten strafgerichtlichen Verurteilungen. Lothar Höbelt, Historiker an der Universität Wien, ist Beamter, von Verurteilungen oder Dienstpflichtverletzungen ist nichts bekannt. Eine Leistungsbeurteilung würde positiv ausgehen, denn Höbelt ist ein weit überdurchschnittlich produktiver Historiker, der alle paar Jahre ein Buch und ungefähr einmal pro Monat einen Aufsatz veröffentlicht.

Aber dem Vorsitzteam der Hochschülerschaft an der Universität Wien (ÖH) und den Präsidenten der Europäischen Union Jüdischer Studierender (EUJS) und der Jüdischen österreichischen Hochschülerinnen (JöH), von denen die eingangs zitierten Äußerungen stammen, geht es kaum um Beamten-Dienstrechtsgesetz und StGB, es geht um „Gedankengut“.

Meinung darf jeder frei äußern

Das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger verwendet dafür einen anderen Ausdruck, nämlich „Meinung“. Meinung ist etwas, was jeder innerhalb der gesetzlichen Schranken frei äußern darf, wobei das Staatsgrundgesetz unter den gesetzlichen Schranken nicht die politischen Präferenzen von ÖH-Vorsitzenden versteht. Und dann gibt es dort auch noch die Bestimmung, dass die Wissenschaft und ihre Lehre frei sind.

Da sich Lothar Höbelt mit seinen Meinungen innerhalb der gesetzlichen Schranken bewegt, könnte man die Äußerungen von ÖH, EUJS und JöH getrost ignorieren. Nun wurde Höbelt aber nach kleineren Aktionen in den Wochen davor am 14. 1. 2020 tatsächlich daran gehindert, seine Vorlesung abzuhalten. Das Rektorat war von der Eskalation überrascht, war aber in der folgenden Woche in der Lage, Höbelt die verfassungsgesetzlich garantierte freie Lehre zu ermöglichen.

Ein vielseitiger und seriöser Historiker 

Bei dieser Geschichte sind mehrere Aspekte interessant. Eine naheliegende Frage ist jene nach der wissenschaftlichen Qualität von Höbelts Arbeiten. Die Antwort ist kurz: Höbelt produziert nicht nur viel. Er schreibt über ganz unterschiedliche Themen, über das 17. ebenso wie über das 19. und 20. Jahrhundert, und seine Untersuchungen sind seriöse, lege artis gemachte Studien. Bemerkenswerterweise ist in den Empörungen über Höbelt nie von der Qualität seines Œuvres die Rede.

Ebenfalls nicht schwer fällt die Einschätzung seiner politischen Position. Es ist allgemein bekannt, dass er der Freiheitlichen Partei nahesteht, an deren Parteiprogramm mitgewirkt und zeitweise die Freiheitliche Akademie geleitet hat. So etwas ist unter Historikern selten, und es hat die Folge, dass die FPÖ und ihr nahestehende Organisationen und Persönlichkeiten häufig bei Höbelt anfragen, wenn sie einen Historiker benötigen. Er sagt oft zu. Man muss das nicht goutieren, aber es ist seine Privatsache.

Dann gibt es Beiträge Höbelts, die ebenfalls nicht verboten sind, aber aufgrund des Publikationsorts weit abseitig wirken, so etwa 1998 seine Mitwirkung an einer Festschrift für David Irving, der anfangs einen Ruf als interessanter militärhistorischer Autor hatte (worauf sich Höbelt beruft), 1998 aber längst vollkommen diskreditiert war. Unverständlich sind auch manche Entscheidungen Höbelts bei der Auswahl seiner Verlage. Meistens veröffentlicht er in normalen Verlagen, Bücher vor allem bei Böhlau. Umso seltsamer etwa seine Entscheidung 2016, ein völlig seriöses Buch im weit rechts stehenden Ares-Verlag zu veröffentlichen.

Die interessantesten Fragen rund um die Kritik an Höbelt betreffen einige seiner Thesen, die es in die Medien geschafft haben. Sie sind deshalb interessant, weil sie die Frage berühren, ob man den Nationalsozialismus wie ein beliebiges anderes historisches Thema abhandelt oder nicht. In der öffentlichen Diskussion ist das Ergebnis klar: Der Nationalsozialismus sei etwas ganz Außergewöhnliches, eine Beschäftigung damit habe politische und moralische Implikationen. Tatsächlich muss das aber nicht so sein. Es gab in der Vergangenheit historische Themen, die von der Nachwelt zunächst mit starker politischer Wertung diskutiert wurden, mittlerweile aber „historisiert“, also zu gewöhnlichen Themen geworden sind. Zum Beispiel rief der Josephinismus unter manchen katholischen Kirchenhistorikern noch in den 1950er-Jahren aufgeregte Bewertungen hervor. In den Sechzigerjahren wurde in Deutschland erbittert über die „Schuld“ des Deutschen Reichs am Ersten Weltkrieg gestritten, auch mit Beteiligung von Medien und Politik. Heute bringt all das niemanden mehr aus der Ruhe.

Ein Thema wie jedes andere

Ein Teil der Aufregung um Höbelt kommt genau daher, dass er in der Öffentlichkeit über den Nationalsozialismus spricht wie über andere historische Themen. Beispielsweise sagt er im „Standard“ am 22. 1. 2020 zur Frage der „Schuld“ Deutschlands am Zweiten Weltkrieg, es sei das „normale Recht jedes Staates, Krieg zu führen“. Die Behauptung ist kaum haltbar, zumal Aggressoren es mindestens seit Iulius Caesar nötig finden, sich auf angebliche gute, wenn auch nur vorgeschobene besondere Rechtsgründe für ihr Handeln zu berufen. Bekanntlich tat dies auch Adolf Hitler am 1. 9. 1939. Das ist aber nicht der springende Punkt. Hätte Höbelt dieselbe Äußerung zum Beispiel im Zusammenhang mit der preußischen Aggression am Beginn des Österreichischen Erbfolgekriegs gemacht, wäre sie genauso kritisierbar, der „Standard“ würde sich aber nicht dafür interessieren. Wahrscheinlich würde nicht einmal das Vorsitzteam der ÖH Uni Wien googeln, um zu erfahren, wer Friedrich II. war.

Mit diesem Prinzip einer Historisierung des Nationalsozialismus ist Höbelt im Fach keine Ausnahme. Die Mehrheit der Zeitgeschichtsforschung moralisiert nicht mehr. Höbelt artikuliert es aber in der Öffentlichkeit öfter und pointierter als die meisten anderen, und man unterstellt ihm aufgrund seiner politischen Orientierung schnell üble Hintergedanken. Ein Historiker, der so gern provoziert, wird dafür sicher kein Mitleid beanspruchen, und solang BDG, StGB und StGG gelten, wird ihm auch nichts passieren.

Dennoch soll betont werden, dass diese Position einer konsequenten Historisierung richtig ist, nicht nur bei Diskussionen unter Fachkollegen, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit. Die Öffentlichkeit braucht keine moralische Handreichung. Geschichte nach dem Stand der Forschung genügt völlig.

(c) Beigestellt

Der Autor

Univ. Prof. Dr. Michael Pammer (* 1962) ist Universitätsdozent für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Johannes-Kepler-Universität Linz und arbeitet über das 18. bis 20. Jahrhundert. 2000 bis 2003 war er Projektleiter bei der Historikerkommission der Republik Österreich.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2020)

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