Landtagswahl

Rotes Land auf schwarzem Grund

Ein Aufstieg auch im Lebensstil: Aus biederen Weinbauern wurden Künstler. Und der Neusiedler See zog mit schicken Lokalen die Großstädter an.
Ein Aufstieg auch im Lebensstil: Aus biederen Weinbauern wurden Künstler. Und der Neusiedler See zog mit schicken Lokalen die Großstädter an.(c) Getty Images/Westend61 (Westend61)
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Am Sonntag wählt das Burgenland, Österreichs jüngstes Bundesland. Das Armenhaus der Republik hat einen bemerkenswerten Aufstieg hinter sich. Und ebenso bemerkenswert ist das eigenwillige politische pannonische Klima.

Die SPÖ war auf der Suche nach sich selbst. Genauer gesagt: Die SPÖ, auf Bundesebene nach vielen Regierungsjahren in Opposition, suchte nach einem Parteichef, der sie aus dem Tief holen sollte. Die Blicke richteten sich auf das Burgenland: Theodor Kery, rechter Sozialdemokrat, roter Reformer, der die träge Landespartei auf Vordermann gebracht hatte, war hier Landeshauptmann. Der erste in dieser Funktion, der volksnah alle Gemeinden seines Bundeslands besucht hatte. Doch Theodor Kery verweigerte sich der Bundespolitik. Es war dann Bruno Kreisky, der 1967 SPÖ-Vorsitzender und Oppositionsführer wurde.

Kery war der Erste, der das nachhinkende Bundesland modernisiert hatte – noch ganz ohne EU-Geld. Er ließ vor allem Schulen und Straßen bauen. Am Ende seiner Karriere stand er jedoch als das Sinnbild eines roten Bonzen da. Der damalige Juso-Chef, Josef Cap, stellte an ihn seine berühmten drei Fragen: „Stimmt es, Genosse Kery, dass du mehr verdienst als der Bundeskanzler selbst?“ – „Stimmt es, dass du trotz hohen Gehalts verbilligten Strom für dein Privathaus beziehst?“ – „Stimmt es, dass du in deiner Freizeit mit Maschinenpistolen, Gewehren und anderem herumschießt?“

Heute steht mit Hans Peter Doskozil wieder ein burgenländischer SPÖ-Chef und Landeshauptmann in der Auslage – und an diesem Sonntag zur Wahl. Das Ergebnis ist auch für die Bundespartei von Bedeutung, das Interesse daher weitaus größer als bei burgenländischen Wahlen üblich.
Doskozil verfolgt einen eigenständigen, konturierten Kurs: sozialpolitisch links, migrations- und sicherheitspolitisch rechts. In Wirtschaftsfragen versucht er es pragmatisch. Einerseits hört man bei ihm schon auch immer wieder einmal den Klassenkämpfer heraus, andererseits braucht er die Unternehmer, um den wirtschaftlichen Aufschwung im Land beizubehalten. Die Anzahl an Unternehmensgründungen im Burgenland nahm im Lauf der vergangenen Jahre kontinuierlich zu – stärker noch als in anderen Bundesländern.

Das früher vergleichsweise arme Burgenland, erst nach dem Ersten Weltkrieg zu Österreich gekommen, war eigentlich ein Agrarland, politisch also traditionell schwarz. Der SPÖ war es 1964 unter Kerys Vorgänger, Hans Bögl, gelungen, das Land umzudrehen – und zwar nachhaltig. Die Basis der Sozialdemokratie im Burgenland waren die vielen Pendler, die nun nicht mehr in der Landwirtschaft arbeiteten, sondern beispielsweise in Wien am Bau. Und nach getaner Arbeit oder am Wochenende wieder in die burgenländische Heimat zurückkehrten.

Die kroatische Minderheit. Das Kunststück, ein Bundesland umzufärben, sollte dann erst wieder Jörg Haider in Kärnten 1989 gelingen. Gröbere Dissonanzen mit den Minderheiten im Land, allen voran den Kroaten, gab es im Burgenland im Gegensatz zu Kärnten aber nie. Was Kärnten und das Burgenland eint, ist der verhältnismäßig große Anteil von Protestanten im Land. Im Burgenland ist er mit rund 14 Prozent noch höher. Dies ist ein Erbe religiöser Toleranz im Königreich Ungarn, zu dem das Burgenland bis zum Ende der Habsburgermonarchie gehörte. Auch die Anzahl der Juden war hier relativ hoch.
Der ökonomische Aufschwung setzte dann so richtig nach dem EU-Beitritt ein – mit den Geldern, die aus Brüssel ins Ziel-1-Gebiet flossen. Das BIP pro Kopf ist zwar nach wie vor das geringste im Vergleich aller Bundesländer – aber die Verbesserung der Wirtschaftsleistung ist offensichtlich.

Es war auch ein Aufstieg im Lebensstil. Aus biederen Weinbauern, die im Glykolsumpf der 1980er-Jahre fast untergegangen waren, wurden nun gewissermaßen Künstler. Der Neusiedler See mit neuen schicken Lokalen wurde zum attraktiven Ausflugsziel auch für die Großstädter, manche siedelten sich ganz hier an. Überhaupt wurde das Land zu einem beliebten Tourismusziel – für Thermenbesucher, Weintrinker, Gourmets, Surfer, Radfahrer etc. Nur Skifahren kann man nicht.

Freitagfrüh startete die „Burgenland extrem“-Tour, Ziel ist, innerhalb von 24 Stunden den Neusiedler See zu umrunden – zu Fuß. Auch der Landeshauptmann ging ein Stück des Weges mit – von Neusiedl bis Jois. Heiser müht sich Hans Peter Doskozil nach einer Stimmbandoperation durch den Wahlkampf. Aber er ist auch sonst nicht der dauerredende, schulterklopfende Typ Landeshauptmann, für einen solchen ist er sogar recht distanziert. Ein Erwin Pröll hätte hier jeden Teilnehmer höchstpersönlich schulterbeklopft. Doskozil geht in seiner Gruppe, grüßt mitunter Passanten, nur als er Polizisten am Wegesrand ansichtig wird, macht er länger halt und unterhält sich mit ihnen. „Der Hype um ihn ist ihm manchmal fast unangenehm“, sagt auch einer aus dem Wahlkampftross. Doskozil, sozusagen der Van der Bellen der burgenländischen SPÖ.

Für die Führungsriege der burgenländischen SPÖ ist die Landtagswahl auch eine Abstimmung über den Kurs der Partei – eben auch auf Bundesebene. Gelingt ein Wahlerfolg, dann wird auch der von vielen Genossen außerhalb des Burgenlands scheel angesehene Doskozil-Kurs auf die Bundespartei abfärben. So hofft man jedenfalls.

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