Proteste

Polizei im Irak geht gegen Anti-Regierungs-Proteste vor

Vier Menschen sind bei den Zusammenstößen zwischen regierungskritischen Demonstranten und der Polizei ums Leben gekommen.

Im Irak sind bei Zusammenstößen von regierungskritischen Demonstranten und der Polizei vier Menschen ums Leben gekommen. Die Polizei stürmte am Samstag den Hauptdemonstrationsort in der irakischen Hauptstadt Bagdad. Im Süden des Landes versuchte sie, die Demonstranten auseinanderzutreiben. Dabei setzte die Polizei auch Tränengas ein. In Bagdad wurde mindestens ein Mensch getötet und mehr als 30 verletzt. In Nassiriya kamen drei Personen ums Leben, 15 wurden verletzt. Der TV-Sender Al-Sharqia sprach von einem bisher beispiellosen Vorgehen der Sicherheitskräfte.

Der neue Vorstoß, die Proteste zu beenden, kam wenige Stunden nach der Ankündigung des einflussreichen irakischen Klerikers Moqtada al-Sadr, sich nicht länger einzumischen. Die Anhänger des Schiiten-Führers, die die regierungskritischen Proteste nicht nur unterstützten, sondern die Demonstranten auch oft vor Angriffen von Sicherheitskräften schützten, begannen daraufhin, sich zurückzuziehen.

Für Freitag hatte Sadr noch zu einer Demonstration für den Abzug der US-Truppen aus dem Irak aufgerufen. Tausende Menschen in Bagdad waren seinem Aufruf gefolgt und hatten sich zu Protesten versammelt, die sich von der bisherigen Bewegung unterscheiden. Demonstranten zeigten sich von der Kehrtwende enttäuscht und warfen dem Geistlichen "Verrat" vor.

Prediger ist für Wankelmütigkeit bekannt

Der mächtige Prediger ist bekannt dafür, seine politischen Positionen schnell zu wechseln. Als die regierungskritischen Proteste im Oktober begannen, stellte er sich hinter die Bewegung und forderte die Regierung zum Rücktritt auf - obwohl er einen Großteil des Parlaments kontrolliert und seine Vertrauten mehrere Ministerposten besetzen. Doch am Freitag entzog er der Bewegung seine Unterstützung.

In der Folge gingen Sicherheitskräfte am Samstag im ganzen Land gegen die Protest-Camps vor. In Hilla, Diwaniya, Kut, Amarah und Najaf wurden Zelte von Demonstranten zerstört. In Basra wurden Aktivisten gewaltsam auseinander getrieben und ihre Zelte verbrannt, wie ein AFP-Reporter berichtete.

In Bagdad räumten Sicherheitskräfte unter Einsatz von Tränengas und scharfer Munition die Protest-Camps. Ärzte berichteten von mindestens 19 Verletzten. Eine Ärztin sagte der Nachrichtenagentur AFP, Polizisten hätten große Zelte, in denen Verletzte behandelt wurden, in Brand gesteckt.

Das irakische Militär teilte mit, es habe die Ahrar-Brücke, auf der es in den vergangenen Monaten wiederholt zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften kam, unter seine Kontrolle gebracht. Sitzblockaden auf dem Tajaran-Platz und der Mohammed-Qassim-Autobahn wurden aufgelöst. In die zentralen Camps auf dem Tahrir-Platz drangen die Sicherheitskräfte aber zunächst nicht vor.

Die Proteste hatten Anfang Oktober angesichts einer schweren sozialen Krise begonnen. Der Unmut richtet sich gegen die politische Elite, Misswirtschaft, Korruption und hohe Arbeitslosigkeit. Insgesamt wurden dabei nach einer Zählung der AFP bisher mehr als 470 Menschen getötet.

Sadr gehört zu den wichtigsten Politikern des Landes

Die Demonstrationen führten zum Rücktritt von Ministerpräsident Adel Abdul Mahdi. Die von der Mehrheit der Schiiten dominierte Regierung im Irak pflegt gute Beziehungen zum ebenfalls schiitischen Iran. Sadr gehört zu den wichtigsten Politikern des Landes. Bei der Parlamentswahl 2018 hatte sein Block die meisten Stimmen gewonnen. Der populistische Prediger kritisierte in den vergangenen Monaten immer wieder die Korruption und verlangte politische Reformen.

In diesem Monat hatte das irakische Parlament beschlossen, dass alle ausländischen Truppen das Land verlassen müssten. Es reagierte damit auf die Tötung des iranischen Generals Qassem Soleimani und des hohen irakischen Milizenführers Abu Mahdi al-Muhandis bei einem gezielten US-Raketenangriff in Bagdad. Im Irak sind rund 5.000 US-Soldaten im Einsatz. Sie waren unter anderem entsendet worden, um das irakische Militär im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) zu unterstützen.

(APA/AFP/Reuters/DPA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

January 8, 2020, Tehran, Tehran, Iran: CEO of Imam Khomeini International Airport City Company, Mohammad Mehdi Karbalai
176 Tote

Iran bestätigt: Zwei Raketen brachten ukrainisches Flugzeug zum Absturz

Zwei Raketen des Typs "TOR" trafen aus nördlicher Richtung kommend das Passagierflugzeug, meldet die iranische Luftfahrtbehörde.
Der iranische Revolutionsführer Ali Khamenei schwört seine Landsleute auf einen kompromisslosen Kurs ein.
Freitagsgebet

Khamenei: „Der Iran muss stärker werden“

Der iranische Revolutionsführer Ali Khamenei schwört seine Landsleute auf einen kompromisslosen Kurs ein. Er vertraut weder den USA noch den Europäern.
Analyse

Boeing-Absturz: Was steckt hinter den Abschussvideos?

Ein neues Video zeigt den Start zweier Flugabwehrraketen etwa eine halbe Minute hintereinander sowie die brennend abschmierende Boeing. Der Macher eines früheren Beweis-Videos wurde angeblich verhaftet.
Abschuss

Iran feuerte zwei Raketen auf ukrainisches Flugzeug

Aufnahmen aus Überwachungskameras sollen zeigen, dass die Boeing mit 176 Insassen an Bord von zwei Geschoßen getroffen wurde.
Krise

Iran: Mehrere Festnahmen wegen Flugzeugabschusses

„Das war ein unverzeihlicher Fehler“, sagt Präsident Hassan Rouhani. Bei dem Abschuss der ukrainischen Maschine durch Irans Militär waren 176 Menschen ums Leben gekommen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.