Die Epidemie hat Anleger vergangene Woche nervös gemacht. JPMorgan spielt durch, was noch kommen kann.
Am Freitag kam zwar wieder etwas Erleichterung an den Börsen auf. Am Tag davor aber hatten einige Investoren angesichts der Verunsicherung wegen der Ausbreitung der neuen Coronavirus-Erkrankung in China Gewinne mitgenommen. Der Virus „hat erneut eine Bewegung raus aus Risken ausgelöst“, schrieb Analyst Mark Chandler von der Bank RBC.
Nach der Teilbeilegung des Handelsstreits zwischen den USA und China und nach der Regelung des Brexit hat die Anlegerwelt also ein neues Thema, das nicht nur gesundheitlichen, sondern auch finanziellen Schrecken in sich birgt. Nach Einschätzung der Bank JPMorgan könnte gerade in China die neue durch den Coronavirus hervorgerufene Lungenkrankheit im Fall einer Ausbreitung „deutliche Abwärtsrisken“ für die Konjunkturentwicklung zu Folge haben. Noch sei es zwar zu früh, um Auswirkungen auf die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt zu erkennen, hieß es in einer am Donnerstag veröffentlichten Studie der Bank. Allerdings seien im bisherigen Verlauf der Krankheit Parallelen zur Sars-Pandemie zu erkennen, die 2003 zu einer ernsten Belastung für Chinas Wirtschaft wurde.
Sollte sich die neue Krankheit ähnlich gravierend entwickeln wie die Sars-Pandemie, könnte dies „in den kommenden ein bis zwei Quartalen“ verschiedene Bereiche der chinesischen Wirtschaft belasten, so die JPMorgan-Experten. Sie nannten an erster Stelle den Tourismus. Darüber hinaus dürfte dann auch die Transportbranche betroffen sein.
Die länderübergreifende Ausbreitung von Sars hatte erhebliche wirtschaftliche Schäden zur Folge. Sie wirkte sich damals hauptsächlich auf die Tourismusindustrie und auf den Konsum in den betroffenen Gebieten aus.
Laut JPMorgan hat Chinas Regierung diesmal zumindest deutlich schneller auf den Ausbruch der neuen Krankheit reagiert als damals. Die JPMorgan-Experten verwiesen auf die Bedeutung der Informationspolitik für das Verhalten der Bevölkerung und damit indirekt auch auf die konjunkturellen Auswirkungen.
Sollte das neue Coronavirus in den kommenden Wochen ähnlich massive Auswirkungen wie Sars haben, dürften die Folgen für den chinesischen Einzelhandel laut JPMorgan deutlich geringer ausfallen als 2003. Damals waren die Umsätze im zweiten Quartal im Einzelhandel kurzfristig eingebrochen. Da sich aber die Geschäfte im Einzelhandel mittlerweile stark auf den Onlinehandel verlagert haben, sei aktuell nicht mit ähnlich starken Rückschlägen zu rechnen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2020)