Am Herd

Pfeif auf später

Hannah will mit ihrem Freund zusammenziehen. „Naja, das ist jetzt eigentlich auch schon egal“, habe ich gesagt. Hannah hat gelacht. Sie weiß schließlich, wie ich es meine.

Der Gedanke lag nahe. So nahe, dass ich mich frage, warum die beiden nicht schon früher auf die Idee gekommen sind. Seit zwei Jahren sind Hannah und Lukas nun ein Paar, seit zwei Jahren teilen sie Tisch und Bett, eigentlich Tische und Betten, entweder bei uns oder in der Wohnung seiner Mutter. Seit zwei Jahren beobachte ich, wie sich Hannahs ewig gerunzelte Stirn glättet, sobald Lukas in ihrer Nähe ist, höre ich amüsiert dabei zu, wie sie in der Küche über die richtige Konsistenz des Palatschinkenteigs streiten, freue ich mich, wenn sie beim Abendessen mit uns am Tisch sitzen, sie laut, er leise, und beide unübersehbar glücklich.

Wie werde ich sie vermissen.


Vernünftig. Aber um mich geht es jetzt nicht, es geht um die beiden, die beschlossen haben, zusammenzuziehen. Eine kleine Wohnung, das sei keineswegs teurer als zwei WG-Zimmer, vermutlich sogar billiger, und sie würden sonst ohnehin nur andauernd zwischen zwei Haushalten hin- und herpendeln. Was ich davon halte, fragt Hannah. Und ich antworte, das klinge doch sehr vernünftig – und eigentlich sei es jetzt auch schon egal. Genau genommen sage ich: „Das Kind ist eh schon in den Brunnen gefallen.“ Und Hannah muss lachen, sie weiß ja, wie ich es meine. Schon jetzt findet sie schwer in den Schlaf, wenn Lukas einmal nicht neben ihr liegt, schon jetzt sind beide „total meh drauf“, wenn sie sich ein paar Tage nicht sehen. So eng sind ihre Leben verwoben.

Sie weiß, dass ich fürchte, ihr Herz könnte brechen.

Vielleicht, aber nur vielleicht, hätte ich mir für sie gewünscht, dass sie zuerst ein paar harmlosere Erfahrungen sammelt, ein paar kurze Verknalltheiten und kleine Krisen erlebt, Tändeleien und Zurückweisungen, dass sie sich mit dem einen oder anderen falschen Mann zusammentut, über den sie dann später belustigt den Kopf schütteln kann. Teenager-Style eben. Wenn man ein paar Verliebtheiten überstanden hat, dann übersteht man auch die erste große Liebe besser, denke ich mir.


Pfeif drauf. Aber vermutlich stimmt das gar nicht. Vielleicht kann die erste Liebe ewig währen, es gibt schließlich Beispiele. Wahrscheinlich kann man sich auf sie auch gar nicht vorbereiten und auf den Schmerz, wenn sie endet. Vielleicht mache ich mir einfach zu viele Gedanken, sicher sogar. Jetzt geht es ihr super. Pfeif auf später.

„Und wenn sie sich trennen, kann sie ja jederzeit bei uns einziehen“, sagt mein Mann. Ein ganz kleines bisschen klingt bei ihm die Hoffnung durch, er könnte sein kleines Mädchen dann wieder um sich haben. Und jetzt bin ich diejenige, die lachen muss.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2020)

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