Phosphoriert

Ohne Düngung mit Phosphor würde die Menschheit verhungern. Derzeit gehen wir aber ziemlich verschwenderisch mit diesem knappen chemischen Element um.

Der Mensch gestaltet durch seine Aktivitäten die Erde grundlegend um – daher bezeichnen viele Forscher unser Zeitalter als Anthropozän. Im Zentrum stehen dabei Eingriffe in die natürlichen Stoffkreisläufe. Am krassesten ist das bei Kohlenstoff (Stichwort: Klimawandel), Stickstoff und auch bei Phosphor: Dieses chemische Element ist essenziell für das Wachstum von Pflanzen, ein Mangel führt zu drastischen Ernteeinbußen.

Im Zuge der Expansion der Landwirtschaft wurden und werden immer größere Phosphormengen auf die Felder ausgebracht. Dieser Dünger stammt traditionell aus den Exkrementen unserer Nutztiere. Der erste zusätzlich verfügbare „Kunstdünger“ war Guano (abgelagerter Vogel- und Fledermauskot von südamerikanischen Inseln). Heute kommt Phosphordünger großteils aus Steinbrüchen, etwa in Nordafrika. Dadurch hat sich die Ausbringung von Phosphor im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten glatt vervierfacht! Das hat auch ökologische Folgen: Überschüssiger Phosphor wird aus dem Boden ausgewaschen und führt zur Überdüngung von Gewässern und z. B. zu Algenblüten.

Ein internationales Forscherteam um Yuanyuan Huang (Université Paris-Saclay) hat nun einen weiteren grundlegenden Eingriff des Menschen in den globalen Phosphorkreislauf gefunden: Durch den Fang von Fischen und Meeresfrüchten werden große Mengen Phosphor vom Meer an Land transferiert. Allerdings war das nur in der Vergangenheit so. Denn durch die Ausbreitung von Aquakulturen – aus denen bereits die Hälfte aller verzehrten Meeresfrüchte kommt – hat sich das Verhältnis umgekehrt: Seit dem Jahr 2004 wird in Form von Fischfutter mehr Phosphor in die Meere ausgebracht als entnommen wird (Nature Communications 17. 1.).

Dieser wachsende Abfluss von Phosphor ins Wasser könnte dramatische Folgen haben. Denn Phosphor wird zunehmend knapp: Die (bekannten) Lagerstätten leeren sich zusehends, viele Forscher erwarten, dass der Abbau nach 2040 zurückgehen könnte („Peak Phosphor“). Das würde die Ernährung der Menschheit ernsthaft gefährden.

Um diesem Damoklesschwert zu entgehen, gibt es zwei Möglichkeiten: Zum einen muss Phosphor effizienter eingesetzt werden. Und zum anderen kann das chemische Element zwar grundsätzlich aus Abwasser zurückgewonnen werden – dies ist aber trotz viel Forschung (in Österreich etwa an der TU Wien und der Montan-Uni Leoben) immer noch eine große Herausforderung.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist derzeit freier Wissenschaftsjournalist.

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diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2020)

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