In Auschwitz schrieb und rezitierte Batsheva Dagan Gedichte. Später veröffentlichte sie die Texte.
In Auschwitz hatte sie Geburtstag. Und Batsheva Dagan bekam ein Gedicht, von ihrer Freundin Zosia Szpigielman. Dagan hieß damals Izabella Rubinstein und das Gedicht hieß: „Kleine Iza“. „Es ist“, sagt sie heute, „das schönste Geschenk, das mir jemals gemacht worden ist.“ Es komme ihr vor, als habe Zosia sagen wollen: „Du musst schreiben, denn ich kann es nicht mehr.“ Das letzte Mal sah Dagan ihre Freundin, als diese ins Krematorium verschleppt wurde. Nach dem Krieg nahm Dagan den unausgesprochenen Auftrag zwischen den Freundinnen an. Sie begann zu schreiben. Gedichte und Kinderbücher über die Shoah.
Begierig zu lernen war Dagan bereits als kleines Mädchen. Als die Nazis in Polen einmarschierten, war einer ihrer ersten Widerstandsakte, heimlich Schulunterricht zu nehmen. Sie war 17 Jahre alt im Ghetto Radom, südlich von Warschau, wo sie mit ihren zwei Schwestern und ihren Eltern leben musste. „Wir waren drei Familien in einem kleinen Zimmer und die Schule war verboten. Ich vermisste das Lernen so sehr.“ Ein Lehrer von der Jugendorganisation Hashomer Hatzair wurde heimlich aus dem Warschauer Ghetto nach Radom ins Ghetto geschleust und unterrichtete die Schüler in Geografie, Mathematik und polnischer Literatur. Sie saßen in dem kleinen Zimmer: „Sahen wir deutsche Soldaten vor dem Fenster, versteckten wir die Bücher und begannen zu singen.“
Im Bus, im Auto. Dagan spricht langsam, pointiert. Man merkt, dass sie oft als Zeitzeugin spricht, in Israel, in Polen, in Deutschland. „Ich habe überlebt“, sagt sie, „weil ich nach seelischen Inhalten gesucht habe.“ Sie habe in Auschwitz Gedichte auswendig gelernt, Französisch geübt, ohne Buch, ohne Bleistift, ohne Papier. „Das war mein geistiger Widerstand. Dass ich das machte, was ich wählte, trotz der Qualen.“ Als im August 1942 das Radomer Ghetto liquidiert wurde, wurden ihre Eltern und ihre Schwester nach Treblinka deportiert. Kurz darauf floh Dagan aus dem Ghetto, nur um wenige Monate später verhaftet und nach Auschwitz deportiert zu werden. „Ich wusste nichts über Auschwitz, nichts von den Gaskammern, nichts vom Krematorium. Ich wusste nur: Man kommt hinein, aber niemals heraus.“