Stanley McChrystal, Kommandeur der US-Truppen in Afghanistan, steht wegen eines Rundumschlags gegen die Regierung vor dem Abschuss. Er machte seiner Enttäuschung über sein erstes Treffen mit Obama Luft.
Washington D. C. (vier). Der General hat ganz frei von der Leber weg geplaudert – und das könnte ihn jetzt Kopf und Kragen kosten. Stanley McChrystal, der Kommandeur der US-Truppen in Afghanistan, ist in einem Artikel im Magazin „Rolling Stone“ über die „Weicheier“ in Washington hergezogen und machte dabei auch vor dem Oberbefehlshaber nicht halt: Präsident Barack Obama.
Für Mittwoch bestellte Obama den „unkontrollierbaren General“, so der Magazintitel, eilends zu einer routinemäßigen Strategiesitzung ins Weiße Haus. McChrystal hat sich zwar umgehend für seine despektierlichen Äußerungen entschuldigt. Aber Washington schwirrte vor Spekulationen: Ist der General noch tragbar? Kann Obama es sich leisten, den Architekten der Afghanistan-Strategie mitten in der Offensive auszutauschen? Wird McChrystal selbst seine Demissionierung anbieten?
Enttäuschung über Obama
Unverblümt machte McChrystal seiner Enttäuschung über sein erstes Treffen mit Obama Luft. Der General hatte im vorigen Sommer vehement auf eine Truppenverstärkung gedrängt, was im Weißen Haus auf Unmut gestoßen war. Nun ätzten McChrystal und sein Stab über Vizepräsident Joe Biden, Sicherheitsberater James Jones („ein Clown“), Sonderbotschafter Richard Holbrooke und den US-Botschafter Karl Eikenberry, einen früheren Afghanistan-Kommandeur.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23. Juni 2010)