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Von Bohrmaschinen, Thermostaten und Kundenkarten: Geschäftsmodelle, die kommen

(c) Getty Images/iStockphoto (malerapaso)
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Kreative Geschäftsmodelle sind ein heißes Gut. Hier sind drei neue Beispiele. Und ein uraltes.

800 sind schon ganz schön viele. So viele Unternehmen füllten den von Managementprofessor Christoph Wecht entwickelten „Innovationskultur Navigator“ aus. Wecht lehrt „Managemernt by Design" an der St. Pöltener New Design University (ndu) und war unlängst bei einem Vortrag im Smart Business Center Graz-West. Bis 2017 leitete er das Kompetenzzentrum Open Innovation an der Universität St. Gallen.

Wecht will mehr. Mehr als 800 Unternehmen, die an ihrer Innovationskultur arbeiten wollen, die seinen Navigator benützen. Der Prozess, beschreibt er, bestehe aus drei Schritten. Schritt eins, Insights, wo stehen wir, wie gut sind wir schon. Schritt zwei, Inspiration, wo liegen unsere Potenziale. Schritt drei, Implementierung, wo und wie wenden wir die Erkenntnisse nun an. Hätte er mehr Daten, sagt Wecht, könnte er Branchenvergleiche ziehen, den Unternehmen Einblick in ihre Branche bieten, detaillierter als über den Gesamtmarkt.

Den allerdings nutzt er, um Geschäftsmodelle zu identifizieren, die im Kommen sind. Manche sind neu, manche alt, aber gut.

Trojanische Pferde

Das wohl innovativste Geschäftsmodell kommt von Google, nebenbei Eigentümerin der smarten „Nest“ Thermostate. Die sind inzwischen in einigen tausend Münchner Haushalten montiert. Google, so Wecht, ginge mit den Daten zu den Münchner Stadtwerken und biete ihnen an, die Temperatur in diesen Haushalten zu den Tagesspitzen minimal abzusenken. Die Haushalte merkten das kaum, die Stadtwerke aber müssten kein weiteres Kraftwerk bauern, um diese Spitzen abzudecken. Klar koste dieser Service, nicht zu knapp, aber eine Lapalie im Vergleich zu den Kosten eines neuen Kraftwerks.

Merke: Produkte sind nur mehr Trojanische Pferde, um an die weit wertvolleren Daten heranzukommen. In denen steckt das große Geld. Man muss nur Ideen haben, was man damit macht.

Gib mir alles

Im zweiten Geschäftsmodell geht es um das Beherrschen eines Ökosystems. Hilti war einst ein Werkzeughersteller, der auch vermietete. Nun bietet er Bestandsmanagement an, ähnlich dem Flottenmanagement für Fahrzeuge. Nicht nur für die eigenen Geräte, ganz uneigennützig auch für die der Konkurrenz. Ob Hilti, Bosch oder Makita, alle Geräte des Kunden bekommen Hiltis Bluetooth-Etiketten, über die Kunde und Bestandsmanager Einsatz, Stehzeit, Wartung und Lebensdauer jedes Geräts nachvollziehen können. Hilti spart sich künftig die Marktforschung. Und gibt ein Gerät den Geist auf, legt es flink ein Angebot. Für eigene Geräte, versteht sich.

Gib mir wenig, aber das richtig

Wer kennt sie nicht, die Story von (schon wieder) Google, das aufgrund geballter Suchanfragen von einer heranrollenden Grippewelle wusste, lange vor den Gesundheitsbehörden? Vergleichbares steht nun dem Handel offen, der mehr und mehr Daten seiner Kunden (und über gemeinsame Bonuskarten vielleicht auch von anderen Händlern) besitzt.

Wecht konstruiert Beispiele: So wie Google könnte Spar über den Taschentuchabsatz eine Grippewelle antizipieren und Produkte gegen Erklätungen in die Regale schieben. Oder Merkur wertet aus, dass vegane Frischeprodukte in manchen Märkten Renner, in anderen Ladenhüter sind. In ersteren forciert er sie samt Zusatzsortiment, in letzteren braucht er keine verdorbene Ware mehr entsorgen. Oder, ebenso hypothetisch: dm stellt fest, dass in stressreichen Arealen die Nachfrage nach Entspannungsprodukten sehr hoch ist. Nur dort zieht es eine Relax-Dienstleistungslinie ähnlich den Friseurstudios auf, mit Massage und anderen Burn-out-Prophylaxen. Warum den gesamten Markt aufrollen, wenn man die Nischen kennen?

Rasierer und Klingen

Wechts letzte Tipp ist ein alter Bekannter. Selbst in der ältesten Managementliteratur ist er unter dem Titel „razor & blades“ zu finden. Gedanke dahinter: die Rasierer günstigst abzugeben, weil die Spanne in den Klingen steckt. Und die braucht man wieder und wieder. Das Geschäftsmodell begegnet uns an jeder Ecke, man denke nur an günstige Kaffeeautomaten und teure Kapseln oder an günstige Drucker und teure Patronen.

Warum die Idee gerade jetzt einen neuen Höhenflug erlebt, weiß Wecht nicht. Er weiß nur, dass sie boomt.

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