Burgtheater-Prozess: Zwei Jahre bedingt für Stantejsky

Die angeklagte frühere kaufmännische Geschäftsführerin des Burgtheaters, Silvia Stantejsky.
Die angeklagte frühere kaufmännische Geschäftsführerin des Burgtheaters, Silvia Stantejsky. (c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Das Urteil für die frühere kaufmännische Geschäftsführerin fiel sehr milde aus. Vom Vorwurf der Bilanzfälschung wurde sie sogar freigesprochen.

Sieben Jahre lang hat der Skandal ums Burgtheater die Gemüter stärker erregt als jede gewagte Inszenierung: Wie konnte an der wichtigsten deutschsprachigen Bühne eine solche Misswirtschaft herrschen? Aber so weite Kreise die irritierende Frage anfangs zog: Am Ende hat sich alles auf Schuld oder Unschuld einer einzigen Person konzentriert – Silvia Stantejsky, kaufmännische Geschäftsführerin von 2009 bis zu ihrer fristlosen Entlassung 2013, mit einer Strafandrohung von bis zu zehn Jahren Haft.

Aber das (nichts rechtskräftige) Urteil fiel am späten Montagabend wesentlich milder aus: zwei Jahre bedingt. Zudem muss Stantejsky als Schadensgutmachung dem Burgtheater rund 319.000 Euro zahlen. Verurteilt wurde sie wegen Untreue und Veruntreuung, vom Vorwurf der Bilanzfälschung sprach der Schöffensenat sie frei.

Damit zeigte er auch Verständnis für die psychischen Probleme der Angeklagten. Ein psychiatrischer Gutachter hatte am Nachmittag befunden: Stantejsky stand zwar unter starkem Druck, sie ließ sich medikamentös behandeln, aber sie war über den Zeitraum der Tat immer in der Lage, rationale Entscheidungen zu treffen, also zurechnungs- und damit schuldfähig. Unter Druck stand sie auch noch am Ende des juristischen Spießrutenlaufs: Von der Staatsanwältin auf immer neue Ungereimtheiten und fehlende Belege für ihre Entnahmen angesprochen, reagierte sie erst ungeduldig und schroff, dann immer verzweifelter: „Ich gebe dem Geld im Safe kein Mascherl!“

„Wesentliche Fehldarstellungen“

Ein Teilgeständnis hatte Stantejsky schon zu Prozessbeginn abgelegt (und davor vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft): Dass sie nämlich fast 400.000 Euro an sich genommen hatte, die eigentlich dem Intendanten Matthias Hartmann, dem Regisseur David Bösch und anderen Mitarbeitern zustanden. Aber nicht, wie sie erfolglos beteuerte, um sich persönlich zu bereichern (die „Untreue“), sondern nur, um mit dem Geld Löcher im Theaterbetrieb zu stopfen – was juristisch als „Veruntreuung“ gilt.

„Fehler, die mir unendlich leidtun“, sagte sie in ihrem Schlusswort, mit den Tränen kämpfend. „Das Burgtheater war meine Leidenschaft. Ich hätte es nie schädigen können.“ Die Anklage nahm ihr das freilich von Beginn an nicht ab und verwies auf den luxuriösen Lebenswandel der Angeklagten: teure Urlaube, ein Ferienhaus, Designerkleidung aus Italien – die Kosten für all dies zusammen hätte sie aus ihrem Gehalt nicht bestreiten können.

Aber nicht dem Psychogramm einer kranken, chronisch überforderten, aber zugleich genussfreudigen „Seele des Hauses“ galt das öffentliche Interesse bei diesem Prozess. Worum es im Großen ging, hatte am Vormittag der Wirtschaftsprüfer Peter Wundsam als Gutachter mit einem präzisen Überblick deutlich gemacht: 60 Millionen Euro beträgt das Budget für das Burgtheater jedes Jahr. Nur ein kleinerer Teil davon ist durch den Verkauf von Eintrittskarten und durch sonstige Umsatzerlöse gedeckt.

Das Gros – zwischen 45 und 50 Millionen – muss der Steuerzahler als „Basisabgeltung“ beitragen. Als gemeinnütziges Unternehmen in Staatshand darf das Theater gar keinen Gewinn machen, aber mit seinem Geld muss es auskommen – also die oft beschworene „schwarze Null“ schreiben. Für den Staat als Eigentümer ist es entscheidend zu wissen, wie gut das Haus mit den zur Verfügung gestellten Mitteln auskommt.
Was nicht möglich war, weil die kaufmännische Geschäftsführerin in der täglichen Arbeit oft „in keiner Weise ordnungsgemäß“ agierte und in den Jahresabschlüssen „wesentliche Fehldarstellungen“ lieferte. Und zwar „wider besseres Wissen“, denn die Angeklagte hatte dem Gutachter einen „verständigen Eindruck gemacht“.

Hätte Stantejsky die miese finanzielle Situation pflichtgemäß offengelegt, wäre sofort die Aufforderung zum Sparen gekommen. Vor allem durch weniger Produktionen: 170 waren es von 2009 bis 2013, bis zu eine Million Euro kostet eine Neuinszenierung auf der Hauptbühne.

Kreative Tricks

Noch etwas zeigte der Gutachter: Das Schönfärben der Bilanzen erfolgte hoch kreativ. Aus dem Spielplan genommene Produktionen blieben im Anlagevermögen stehen, statt vollständig abgeschrieben zu werden. Für 1500 Stunden an Urlaub und Zeitausgleich, die nicht zeitgerecht konsumiert wurden, fehlte die Rückstellung. Regelmäßig wurden Sozialversicherungsbeiträge und Abzugssteuern nicht abgeführt.
Durch all diese Tricks war schließlich im Jahr 2012 das Eigenkapital um bis zu sechs Millionen Euro zu hoch ausgewiesen – und aus dem Theater eine Trutzburg der verschleierten Misswirtschaft geworden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2020)

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