Restrukturierung

Gummikonzern Semperit verkauft sein Medizingeschäft

Semperit steigt aus dem Geschäft mit Operationshandschuhen aus
Semperit steigt aus dem Geschäft mit Operationshandschuhen aussemperit
  • Drucken

Im Rahmen ihrer strategischen Neuausrichtung wird sich die Semperit-Gruppe künftig auf den Sektor Industrie konzentrieren. Der Handschuh-Bereich mit rund 3000 Mitarbeiter, davon 100 in Wimpassing, wird abgegeben.

Es war damit gerechnet worden, und dennoch ist es ein Paukenschlag: Der Gummikonzern Semperit wird sich von seiner noch vor Jahren ertragreichsten Sparte, dem Medizingeschäft, trennen. Ein Käufer wird zeitnahm gesucht. Wie der Konzern am Dienstag bekanntgab, haben Vorstand und Aufsichtsrat beschlossen, die Gruppe künftig auf den Sektor Industrie konzentrieren und die Transformation zum Industriegummi-Spezialisten vollziehen. Bis Ende 2024 - das 200. Jahr in der Unternehmensgeschichte - soll die Ertragskraft deutlich verbessert werden. Lag die Zielsetzung bei einer Ebitda-Marge von rund 10 Prozent ab Ende 2020, so werden künftig rund 13 Prozent angestrebt. Man oriertiere sich dabei  an der industriellen Peer Group.

"Wir haben die größte strategische Grundsatzentscheidung der letzten Jahrzehnte sehr bewusst getroffen: Sie soll die Zukunftsfähigkeit und höhere Rentabilität der Semperit-Gruppe sicherstellen. Die Zukunft von Semperit liegt ganz klar im Sektor Industrie", sagt CEO Martin Füllenbach angesichts einer drastisch verschärften Wettbewerbsdynamik im Medizingeschäft. Der Fortbetrieb des Medizingeschäftes würde  hohe Investitionen erfordern. Füllenbach: „Der kapazitätsseitige Abstand zu den Marktführern wird immer größer. Daher sind wir fest davon überzeugt, dass unser Medizingeschäft durch andere Eigentümer besser fortgeführt und entwickelt werden kann."

Seit Jahren Verluste

Der Markt für wegwerfbare Medizinhandschuhe soll einer Studie des Global Industry Analyst zufolge bis 2025 auf 8,7 Milliarden Dollar  wachsen. Das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von rund zehn Prozent. Der Gummikonzern Semperit ist in diesem Geschäft mit der Sparte Sempermed zwar gut vertreten - sie bringt ein Drittel des Gesamtumsatzes - doch die goldenen Jahre sind längst vorbei. Die Konkurrenz aus Asien wird immer mächtiger, der Preisdruck in der Folge immer größer. 2018 musste Semperit eine Abschreibung in Höhe von 55 Millionen Euro vornehmen, das war doppelt so viel wie im Jahr 2017. 2019 mussten in der Medizinsparte weitere 46.8 Millionen Euro abgeschrieben werden, was den Konzern zum vierten Mal in Folge in rote Zahlen treibt. Erwartet wird für das Vorjahr ein Verlust von 35 Millionen Euro. 2018 waren Verluste von gut 80 Millionen Euro angefallen, im Jahr davon lagen die Verluste bei 26 Millionen Euro, 2016 betrug das Minus knapp neun Millionen Euro.

In der Medizinsparte (Sempermed) geht es vor allem um das Geschäft mit Untersuchungshandschuhen (die in Malaysia hergestellt werden) sowie OP-Handschuhen (Produktion in Wimpassing). In dieser Sparte mit rund 3000 Beschäftigten (davon rund 100 in Österreich)  ging der Umsatz in den ersten drei Quartalen 2019 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 4,9 Prozent auf 226 Millionen Euro zurück. Die Industriesparte setzte in den ersten drei Quartalen des Vorjahres 426 Millionen Euro um.

Gesamtverkauf hat Priorität

"Klare Priorität hat ein Gesamtverkauf der Medizinsparte, den wir eingehend und ausführlich evaluieren werden", so Füllenbach. Man werde "gemäß der sehr bewährten Kultur in der beinahe 200-jährigen Unternehmensgeschichte"  rechtzeitig Gespräche mit den Arbeitnehmer-Vertretern aufnehmen. Ziel müsse es in den kommenden Monaten sein, bestmögliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um den Sempermed-Mitarbeitern eine Zukunftsperspektive zu geben. Mögliche Restrukturierungskosten seien noch nicht bezifferbar.

Die Trennung vom Medizingeschäft betrifft alle Sempermed-Standorte und damit auch die Produktion von Operationshandschuhen, die einen Teilbereich des niederösterreichischen Semperit-Stammwerks Wimpassing ausmacht. Wimpassing  ist in erster Linie Standort der Industriesegmente Semperform und Semperflex und steuert auch gruppenweite Schlüsselbereiche wie die Forschung & Entwicklung oder Mixing.

"Unser Stammwerk Wimpassing bleibt als Teil der Semperit-Gruppe zweifellos erhalten", so Füllenbach, der den heimischen Produktionsstandort weiter aufwerten möchte.

Semperit kündigt auch an, eine eigene Produktion in Nordamerika aufzubauen und dort den Vertrieb zu verstärken. Details werden erst geprüft. Dafür ist beschlossen, dass die bisher aus drei Bereichen bestehende Industriesparte künftig aus vier Geschäftsfeldern bestehen soll. Aus dem Segment Semperform wird die Herstellung von Profilen, etwa Fenster- und Türdichtungen, unter dem Namen Semperseal abgespalten. Unverändert bleiben Semperflex und Semperform bestehen. Auch will Semperit einen Schwerpunkt auf die Entwicklung neuer Produkte für Industrie 4.0 legen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.