Gastkommentar

Grüner Schatten über Davos

(c) Peter Kufner
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Wie eine europäische Grenzsteuer das Klima retten könnte und welche Argumente dagegensprechen.

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Das Weltwirtschaftsforum in Davos ist gelaufen. Die Privatjets sind abgeflogen, und der Schweizer Wintersportort hat sich vom Zentrum des globalisierten Kapitalismus wieder in eine 10.000-Seelen-Gemeinde in den Bergen verwandelt. US-Präsident Donald Trump spottete gegen die Handelspraktiken der EU, Klimaaktivistin Greta Thunberg plädierte für den Klimaschutz, und Großkonzerne beschworen ein inklusiveres Wirtschaftssystem herauf. Gesagt wurde vieles, aber wird sich diesmal auch etwas ändern?

Ausnahmsweise dürfte das diesjährige Treffen der Wirtschaftseliten aber den Startschuss für eine neue europäische Klimapolitik bedeuten. Denn abseits des üblichen Pomps und der scharfen Kritik seitens Demonstrierender legte sich ein Thema wie ein grüner Schatten über den Großteil der Diskussionen: Der Umweltschutz war omnipräsent.

Sogar Großbritanniens Prinz Charles mahnte in einer Rede, dass es höchste Zeit sei, eine angemessene Steuer auf Kohlenstoffverbrauch einzuführen. Zwar ist seine Forderung lediglich ein royales Echo dessen, was zahlreiche Wissenschaftler, Ökonomen und Politiker seit geraumer Zeit fordern, dennoch spricht er eine mögliche Lösung des Problems an – eine globale CO2-Steuer. Im Januar 2020 berechnete der internationale Währungsfonds, dass der notwendige Preis für eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen im weltweiten Durchschnitt statt zwei US-Dollar pro Tonne CO2 um etwa das 37-Fache auf stolze 75 Dollar steigen müsste.

Bepreisung an den EU-Grenzen

Außerhalb des Davoser Mikrokosmos, in dem medienwirksam Konsens in Sachen Klimaschutz herrscht – von den medienwirksam transportierten Querschüssen Trumps abgesehen –, scheint die Implementierung eines globalen Kohlenstoffpreises jedoch unrealistisch. Die weltweit größten Klimasünder, wie die USA, China, Indien oder Russland, sehen keinen Grund, den Ausstoß von Treibhausgasen zu bestrafen.

Dem stehen die ambitionierten Vorhaben der Europäischen Kommission gegenüber, die unter der neuen Leitung Ursula von der Leyens den Übergang zu einer „grünen“ Wirtschaft antizipiert: bis 2030 Treibhausgasemissionen signifikant zu senken und bis 2050 darauf zu achten, dass die gesamte europäische Wirtschaft CO2-neutral agiert. Für elf Prozent des globalen CO2-Ausstoßes verantwortlich, steht die EU damit allein auf weiter Flur. Hat sie überhaupt eine Chance?

Eine Lösung sieht EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen in der Einführung sogenannter Grenzanpassungsmechanismen, die Europa für Importe aus Staaten anwenden könnte, die den Kohlenstoffverbrauch nicht so stark regulieren wie es Europa tut. Eine Idee, die auch mit dem europäischen „Green Deal“ übereinstimmt, der die Einführung eines unionsweiten Preises für alle Treibhausgasemissionen vorsieht mit dem Ziel, Erzeuger und Verbraucher dazu zu bewegen, insgesamt weniger Energie zu verbrauchen und auf saubere Alternativen umzusteigen.

Das Problem dabei: Werden Emissionen in der EU steuerlich belastet, werden europäische Erzeuger durch den Anstieg der CO2-Preise im internationalen Wettbewerb benachteiligt. Um diesen Nachteil zu vermeiden, schlägt die Kommission nun eine sogenannte CO2-Grenzsteuer vor. Ohne eine solche bestünde die Gefahr, dass europäische Verbraucher zu Lieferanten aus dem Ausland wechseln. Eine Grenzsteuer würde in diesem Fall die europäische Wirtschaft schützen.

Teddys aus China und der EU

Ein kurzes Beispiel: Stellen Sie sich ein beliebiges Produkt vor. Sagen wir, einen Teddybären, der von zwei Produzenten weltweit produziert wird – einem in der EU, einem in China. Beide Teddys kosten gleich viel und sind qualitativ ähnlich. Das in der EU ansässige Unternehmen verwendet jedoch eine effiziente Produktionsmethode, bei der ein Kilogramm CO2 pro Teddybär freigesetzt wird. Der chinesische Teddy verursacht zwei Kilogramm.

Erhebt nur die EU einen Preis auf CO2, dann kostet der europäische Teddy mehr als der chinesische, und Käufer könnten den chinesischen Bären bevorzugen. In weiterer Folge leiden EU-Unternehmen und erhalten außerdem den Anreiz, ihre Produktion aus der EU abzuziehen. In anderen Worten: Ein Preis auf CO2 ohne eine Grenzsteuer schadet der europäischen Wirtschaft massiv.

Dennoch ist es kein Einfaches, so eine Besteuerung zu entwerfen. Denn um die richtigen Anreize zu schaffen, muss die EU nicht nur den gesamten CO2-Fußabdruck der eingeführten Waren, sondern auch deren gesamter Versorgungskette beachten. Auch die Umverteilung der steuerlichen Belastung innerhalb der EU sowie mit Drittstaaten verdient erhöhte Aufmerksamkeit. Eine Grenzsteuer würde viele Handelspartner Brüssels, insbesondere CO2-intensiver produzierende Entwicklungsländer, de facto vom Handel mit der EU ausschließen.

Die größte Hürde für die Einführung einer solchen Grenzsteuer stellt allerdings die Konformität mit den Regularien der Welthandelsorganisation dar. Denn gemäß der WTO besitzen unilateral eingeführte Importsteuern zollähnliche Qualitäten und stellen eine protektionistische Maßnahme seitens der EU dar. Eine Ausnahme im internationalen Handelsrecht gewährt Brüssel allerdings einen raffinierten, wenngleich schmalen, Ausweg.

Gemäß Gatt Artikel XX (g) können Staaten einseitig Steuern einheben, wenn Importe innerstaatliche Ressourcen zu erschöpfen drohen. Bei der Erdatmosphäre handelt es sich um eine zu erschöpfende Ressource. Es besteht damit ein wesentlicher Zusammenhang zwischen der Einführung einer Grenzsteuer und der Erhaltung der Atmosphäre, was die Pläne der Kommission rechtlich ermöglicht.

Geöffnetes Fenster nutzen

Die Zeit ist zudem opportun. Denn sollten Handelspartner doch gegen die Maßnahmen der EU klagen, ist die Berufungsinstanz der WTO, die über Streitigkeiten entscheidet, mangels der Bestellung neuer Richter durch Trump außer Kraft gesetzt. Dieser versuchte sich vergangenes Jahr selbst vor Klagen gegen einseitig eingeführte Zölle zu schützen. Das Gremium benötigt mindestens drei Richter, um Urteile zu fällen, wird derzeit jedoch nur von einem besetzt. Die EU muss Trumps – durch kurzsichtiges Eigeninteresse – geöffnetes Fenster nutzen, um Europas Umwelt zu retten, ohne der heimischen Wirtschaft Schaden zuzufügen.

Von der Leyen prognostizierte vergangene Woche in Davos, dass die Gesetze noch in diesem Jahr ausgearbeitet würden, und betonte, dass das Ziel darin bestehe, andere Länder wie die USA und China ebenfalls zur Einführung solcher Steuern zu bewegen.

Der Trubel in Davos ist vorbei, die Welt dreht sich weiter. Nun muss man hoffen, dass dem Gesagten Taten folgen. Ideen gibt es ja genügend.

Der Autor

Alexander Rustler (* 1994 in Wien) ist Research Fellow und Kandidat für den Master of Public Administration an der Columbia University in New York. Er forscht zudem am Columbia Center for Sustainable Investment zu Nachhaltigkeit in Wirtschaft und Entwicklung. Er studierte komparative Wirtschaftspolitik an der London School of Economics und Wirtschaft an der WU Wien.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2020)

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