Junge Demonstranten im Zentrum der irakischen Hauptstadt Bagdad.
Reportage

Auf dem Tahrir-Platz in Bagdad: „Wir haben keine Angst vor ihren Kugeln“

Seit Monaten protestieren junge Iraker gegen Korruption und Misswirtschaft. Damit provozieren sie nicht nur die Sicherheitskräfte, die brutal gegen die Protestierenden vorgehen - auch mit scharfer Munition.

Es ist ein Geräusch, das die Stimmung auf dem Tahrir-Platz in Bagdad schlagartig verändert. Gerade noch herrschte in dem Protestlager, in dem seit Oktober Tausende vor allem junge Iraker campieren, eine entspannte Volksfeststimmung – jetzt bricht Hektik aus. Eine Reihe von Schüssen ist aus den umliegenden Straßen zu hören. Familien ziehen sich eilig zurück. Innerhalb weniger Sekunden kommt eine ganze Traube von Tuk-Tuk-Motorrikschas angebraust, um allen, die es wollen, einen schnellen Rückzug zu ermöglichen. Scharen junger Männer machen sich auf den Weg in die andere Richtung, von wo die Schüsse kommen, um ihren Platz zu verteidigen. Bewaffnet sind sie nur mit einem Mundschutz gegen das Tränengas. Einige wenige tragen Helme und Westen mit Taschen, in denen Molotowcocktails stecken. Einige nehmen Tuk-Tuks, um zur Front zu rasen.

Seit vier Monaten fordern die Demonstranten ein Ende der Korruption und Misswirtschaft. Sie wollen mit den Parteien und den Milizen im Irak nichts mehr zu tun haben. Sie hassen die Politik, die sie in Sunniten, Schiiten, Christen, Kurden und Araber unterteilt. Und gerade weil sie so anders sind und so viel wollen, haben sie einen schweren Stand.

Jeden Tag gibt es Tote

Die Schüsse hören nicht auf. Auf dem Tahrir-Platz wartet man, was als Nächstes geschieht. Viele haben sich vor dem Feldlazarett versammelt. „Fast jeden Tag bekommen wir Verletzte herein, manche von ihnen sind so schwer verwundet, dass wir sie nicht retten können“, erzählt die junge Ärztin Israa Muhammad. „Meist haben sie Schusswunden, andere sind am Ersticken wegen des Tränengases.“

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