Die Berliner Friedensappelle sind verhallt. Mit Militärhilfe aus dem Ausland haben Haftars Truppen ihre Angriffe wieder aufgenommen.
Istanbul/Tripolis. Wenige Tage nach den Friedensappellen der Berliner Konferenz steht die Waffenruhe in Libyen nur noch auf dem Papier. Truppen von Rebellengeneral Khalifa Haftar rücken auf die strategisch wichtige Stadt Misrata am Mittelmeer östlich der Hauptstadt Tripolis vor. Auf dem Flughafen von Tripolis, dem Sitz der international anerkannten Regierung, schlugen am Wochenende wieder mehrere Raketen ein.
Laut UNO-Angaben schaffen ausländische Unterstützer der Kriegsparteien, darunter auch Teilnehmerstaaten des Berliner Treffens, trotz des Waffenembargos weiter Kriegsgerät und Kämpfer nach Libyen. Damit könnten die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) gemeint gewesen sein: Die wichtigsten Akteure in Libyen sind nach wie vor davon überzeugt, dass sie ihre Ziele militärisch durchsetzen können.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bei der Berliner Konferenz am 19. Jänner versucht, Haftar, den international anerkannten Premier, Fayez al-Sarraj, und ihre jeweiligen internationalen Unterstützer zu einer Waffenruhe zu verpflichten. Deutschland will die Lage in Libyen stabilisieren, um so etwas gegen die Ankunft von Bootsflüchtlingen aus Libyen in der EU tun zu können. Doch die Friedensbekenntnisse von Berlin haben zu keiner Entspannung in dem Konflikt geführt. Der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, hatte zuletzt bei einem Besuch Merkels in Istanbul bekräftigt, er schicke weiter Militärausbilder nach Libyen, um Sarraj zu helfen. Den Rebellengeneral Haftar nannte Erdoğan einen „Putschisten“.
Die VAE, ein regionaler Rivale der Türkei und Katars im Nahen Osten, haben mit Rüstungslieferungen und der Anwerbung sudanesischer Kämpfer in jüngster Zeit zu Haftars militärischen Erfolgen beigetragen. In dem indirekten Konflikt zwischen der Türkei und den VAE geht es um politischen und wirtschaftlichen Einfluss, aber auch um Ideologie. Ankara steht auf der Seite der islamistischen Muslimbruderschaft. Die VAE, Ägypten und Saudiarabien betrachten die Bruderschaft dagegen als Terrorgruppe.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2020)