Einzelhandel

Eigenmarken locken mit „weniger“ Zucker

Bereits in jungen Jahren gewöhnt sich der Körper an den Geschmack von Zucker. Konsumenten später wieder umzugewöhnen ist schwierig.
Bereits in jungen Jahren gewöhnt sich der Körper an den Geschmack von Zucker. Konsumenten später wieder umzugewöhnen ist schwierig.(c) Getty Images/EyeEm (Margarida Moura Guedes / EyeEm)
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Die „Allianz gegen zu viel Zucker“ pocht auf die Bewusstseinsbildung bei Konsumenten – und lenkt sie zu Eigenmarken.

Wien. Es kommt nur selten vor, dass die Österreichische Ärztekammer mit Großkonzernen wie Nestlé kooperiert. Für die „Allianz gegen zu viel Zucker“ hat sie sich aber 2017 mit über 30 Unternehmen zusammengetan, um den Zuckergehalt in deren Produkten zu senken. Konsumenten sollen sich der Gesundheit zuliebe an weniger Süße gewöhnen, heißt es. Für die Unternehmen ist die Gesundheit dabei wohl nicht die einzige Motivation: Denn es profitieren vor allem Eigenmarken.

Sieben von zehn Österreichern wollen ihren Zuckerkonsum reduzieren, wie eine repräsentative Umfrage von Marketagent zeigt. Dennoch unterschätzen die meisten, wie viel Zucker sich in alltäglichen Lebensmitteln versteckt: Im Schnitt nimmt jede Person jährlich 33 Kilopackungen Zucker zu sich, das sind etwa 91 Gramm am Tag. Die WHO empfiehlt 25 bis maximal 50 Gramm täglich. Bei übermäßigem Konsum drohen Fettleber, Übergewicht oder gar Adipositas und Demenz. Ein gefundenes Fressen für die Marketingabteilungen der Konzerne.

„Wir haben tausend Tonnen Zucker in unseren Spar-Eigenmarkenprodukten reduziert“, sagt Gerhard Drexel, Vorstandsvorsitzender von Spar Österreich. Die 15 Spar-Eigenmarken machen mittlerweile 40 Prozent des Umsatzes aus. Damit liegt der Konzern deutlich über dem Branchenschnitt von 20 Prozent. „Bei den Markenartikeln kann man nur anregen, bei Eigenmarken per Brief anordnen“, sagte Drexel Ende des vergangenen Jahres in einem Hintergrundgespräch mit Journalisten. Einer Ausweitung wolle er keine Grenzen setzen.

In der Regel handelt es sich bei den günstigsten Produkten eines Händlers um die Eigenmarken. Meist gibt es solche aber für alle Preissegmente: „Die Eigenmarke namens Billa haben wir eingeführt, damit es zwischen Clever-Artikeln und eher teuren Produkten auch Produkte im mittleren Preissegment gibt“, sagt Rewe-Unternehmenssprecher Paul Pöttschacher. Billa, Merkur und Adeg haben unabhängig von der Allianz ebenfalls im Jahr 2017 mit der Zuckerreduktion in Eigenmarken begonnen.

„Zuckerreduziert“: Eine Falle

Am Dienstag zogen die Allianzpartner Zwischenbilanz: Alle beteiligten Hersteller haben seit Beginn des Projekts 6700 Tonnen Zucker eingespart. Als „zuckerreduziert“ darf ein Lebensmittel dann gekennzeichnet sein, wenn es 30 Prozent weniger Zucker enthält als vergleichbare Produkte. Cola enthält elf Gramm Zucker pro 100 ml, eine Limonade mit sieben Gramm auf 100 ml gilt demnach als „zuckerreduziert“ – eine 0,5-Liter-Flasche mit 35 Gramm Zucker ist laut WHO-Definition trotzdem zu süß.

Drexel gab bei der Präsentation einige Beispiele von Spar-Produkten, die nun weniger Zucker enthalten. Allerdings: Ein 180-g-Becher Kirschjoghurt von S-Budget schlägt immer noch mit 21 Gramm Zucker zu Buche – damit ist der Tagesbedarf fast gedeckt. Vor der Reduktion machte der Zucker 13 Prozent des Joghurts aus, jetzt sind es 1,3 Prozent weniger.

Süßungsmittel wie Aspartam sind laut Friedrich Hoppichler, Vorstand im Verein für Gesundheitsförderung und Prävention, genauso schlecht. „Sie steigern den Appetit auf Süßes. Da kann sich der Konsument nie an weniger Zucker gewöhnen“, sagt er. Die gesundheitlichen Risken seien ebenso fatal wie bei Zucker, auch sie machen dick. Die Allianzpartner wollen künstliche Süßstoffe deshalb vermeiden, die Gesundheitsexperten unter ihnen warnen vor „pseudogesunden Zero-Varianten“. Die größte Herausforderung: „Süß schmeckt im direkten Vergleich meist besser als weniger süß“, sagt Almdudler-Geschäftsführer Gerhard Schilling.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2020)

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