Diplomatie

Donald Trumps proisraelischer Nahost-Deal

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TOPSHOT-US-MIDEAST-TRUMP-NETANYAHUAPA/AFP/MANDEL NGAN
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Der US-Präsident enthüllte seine Vorschläge für die Lösung des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern. Er sieht eine Zwei-Staaten-Lösung vor, stellt aber gleichzeitig harte Bedingungen an die  Palästinenser.

Zehn Monate ist es her, dass Donald Trump an der Seite Benjamin Netanjahus in einer Zeremonie im Weißen Haus ein historisches Dekret unterzeichnete. Es besiegelte die Souveränität Israels über die 1967 annektierten Golanhöhen. Kurz vor der Parlamentswahl in Israel markierte es ein Wahlkampfgeschenk des US-Präsidenten an den israelischen Premier. Es war – wie sich herausstellte – Teil eines 80-seitigen Gesamtpakets, das Trump am Dienstag als Masterplan für den Nahen Osten enthüllte.

Nur wenige Wochen vor einer neuen Knesset-Wahl schritten Trump und Netanjahu unter Jubelrufen im East Room des Weißen Hauses zur Präsentation des lang angekündigten „Jahrhundertdeals“ zum Podium. Ein „großer Schritt zum Frieden“, betonte der Präsident. „Wenn nicht jetzt, wann dann? Wenn nicht wir, wer sonst“, lautete Netanjahus Appell.
Trump stellte eine „realistische Zwei-Staaten-Lösung“ vor – eine Vision als Grundlage für Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern. „Eine Win-Win-Situation für beide Seiten. Eine historische Chance für die Palästinenser, vielleicht die letzte.“ In diesem Sinn habe er auch einen Brief an Palästinenserführer Mahmud Abbas geschrieben, der zu der Präsentation nicht eingeladen war und sich geweigert haben soll, mit Trump zu telefonieren. Israel verpflichtet sich in der Zwischenzeit zu einem vierjährigen Siedlungsstopp.

„Null Chance“

Nahost-Experte Aaron David Miller gab dem dezidiert proisraelischen Plan nach Jahren des Stillstands, der Parteinahme der Trump-Regierung für Israel und des Widerstands der Palästinenser „null Chance“. Die beiden Protagonisten sparten indessen nicht mit gegenseitigem Schmeicheleien. „Bibi“ Netanjahu pries einen Deal, zu dem nur ein Immobilienmagnat imstande sei. Und er bezeichnete Trump als den „bei Weitem besten Freund, den Israel je im Weißen Haus hatte“. Seine Ausführungen dauerten länger als die seines Gastgebers. Er würdigte auch Trump-Schwiegersohn Jared Kushner, mit dem er seit Langem private Kontakte pflegt, als Architekten des Friedensplans.

Netanjahu hofft, mit seinem internationalen Renommee in der Heimat neuerlich punkten zu können. Noch in der Nacht auf Mittwoch wollte er nach Moskau fliegen, um mit Kreml-Chef Wladimir Putin den US-Friedensplan zu diskutieren. Benny Gantz, der israelische Oppositionsführer, ist schon zuvor nach seiner Stippvisite im Weißen Haus nach Jerusalem zurückgekehrt. Er wollte dem Premier, der in Jerusalem in drei Korruptionsaffären früher oder später auf die Anklagebank landen wird, die Bühne in den USA nicht allein überlassen. Auch für Trump war die Vorstellung des Nahost-Plans der Versuch eines Befreiungsschlags inmitten des Amtsenthebungsverfahrens im Senat.

Westjordanland & Gaza

Das Westjordanland ist Herzstück des Palästinenserstaats. Im Gazastreifen hat Israel den Palästinensern durch den Abzug im Jahr 2005 volle Autonomie gewährt. Von der Palästinenserführung fordert der Trump-Plan ein Ende des Terrors in Gaza und die Anerkennung der Existenz Israels. Eine Entwaffnung der Hamas und die Demilitarisierung Gaza wird schwer zu bewerkstelligen sein.

Im weit größeren und strategisch wichtigeren Westjordanland schreibt Trump den Status quo im Wesentlichen fest: Die jüdischen Siedlungen mit rund 400.000 Siedlern bleiben erhalten – als ein Teil Israels. Die Palästinenser behalten die Souveränität über den Großteil des Territoriums, das aber weiter beschnitten wird: Das fruchtbare Jordantal an der Grenze zu Jordanien soll Israel zugeschlagen werden. Im Gegenzug soll es zu einem Gebietstausch kommen – beispielsweise könnte ein Stück der Negev-Wüste an die Palästinenser gehen. Überdies bleibt die militärische Kontrolle über das Westjordanland und seine Grenzen in der Hand Israels. Straßen, Brücken und Tunnel sollen das Westjordanland mit dem Gazastreifen verbinden.

Jerusalem

Der Status der Hauptstadt ist einer der Kernpunkte der Verhandlungen. Beide Seiten reklamieren Jerusalem als Hauptstadt. Der Ostteil Jerusalems – so bisheriger Konsens – soll Hauptstadt des Palästinenserstaats sein. Jüdische Siedlungen mit rund 200.000 Bewohnern ziehen sich mittlerweile durch das Gebiet Ostjerusalems. Nach dem Trump-Plan ist Jerusalem die „ungeteilte“ Hauptstadt Israels, ein Teil Ostjerusalems geht in die Souveränität der Palästinenser über. Ein Widerspruch. Die Altstadt bleibt geteilt, Jordanien und die Palästinenser teilen sich weiterhin die Kontrolle über den Tempelberg.

Flüchtlinge

Für die mehr als fünf Millionen Palästinenser und ihre Nachkommen, die im Krieg von 1948 vertrieben wurden und längst in der Diaspora in Jordanien oder im Libanon leben, sieht der Plan kein Rückkehrrecht vor. Es war ohnehin eine eher symbolische Forderung, um Reparationszahlungen zu fordern. Trump stellte einen Fonds in Aussicht.

Schon vor Enthüllung des US-Plans drohten die Palästinenser mit der Aufkündigung des interimistischen Oslo-Abkommens von 1993. Tausende zogen in Gaza und Ramallah aus Protest durch die Straßen Für Mittwoch kündigten sie einen „Tag des Zorns“ an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2020)

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