Slowenien

Warum Marjan Šarec Neuwahlen will

Marjan Šarec.
Marjan Šarec.(c) REUTERS (Borut Zivulovic)
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Nach dem für viele überraschenden Rücktritt des Regierungschefs könnte es in der zersplitterten Parteienlandschaft zu einer Flurbereinigung kommen.

Ljubljana/Belgrad. Sloweniens ranghöchster Politjongleur hat mit seiner Flucht nach vorn vor allem die eigenen Partner verblüfft. „Am leichtesten ist es immer, zu gehen und unvollendete Projekte zurückzulassen“, grantelte Dejan Židan, der Chef der mitregierenden Sozialdemokraten (SD), nach dem überraschenden Rücktritt von Premier Marjan Šarec zu Wochenbeginn. Enttäuscht über das Ende der 16-monatigen Mission des aus fünf Parteien bestehenden Minderheitenkabinetts zeigt sich auch Infrastrukturministerin Alenka Bratušek: „Šarec hat sich für politische Instabilität und vorzeitige Wahlen entschieden. Aber das wird den Leuten nicht helfen.“

Mit dem Minderheitskabinett könne er die Erwartungen der Bürger nicht erfüllen, begründete der keineswegs amtsmüde Šarec hingegen seinen Abtritt – und die Forderung nach einem vorgezogenen Wahlgang. Ungewohnten Zuspruch erhält er dabei ausgerechnet vom konservativen Oppositionschef, Janez Janša, der die Regierung schon vor Wochen für „klinisch tot“ erklärte hat: Neuwahlen seien die „wahrscheinlichste und vermutlich beste Option“.

Wackelige Koalition

Seit die oppositionelle Linke im Streit um die Gesundheitsreform dem Minderheitskabinett im November ihre Unterstützung entzogen hatte, war die linksliberale Koalition durch Tolerierung der Slowenischen Nationalen Partei (SNS) mehr schlecht als recht über die Runden gekommen. Aber Ministerrücktritte und innerparteiliche Machtkämpfe sorgten für permanente Spannungen. Nachdem zu Wochenbeginn Finanzminister Andrej Bertoncelj ging, entschloss sich Šarec zum Rücktritt. Auch jüngste Umfragen, die seine LMŠ als stärkste Partei vor Janšas SDS sehen, dürften ihn bei der Flucht in Neuwahlen bestärkt haben.

Zwar plädieren die kleineren Parteien, denen bei einer Neuwahl die Verbannung ins außerparlamentarische Abseits droht, für neue Koalitionsverhandlungen im bestehenden Parlament. Doch obwohl politische Beobachter in Ljubljana die Bildung einer neuen Regierung nicht ganz ausschließen, scheinen die Zeichen eher auf Neuwahlen im April zu stehen. Außer den beiden Großparteien LMŠ und SDS sowie der mitregierenden Rentnerpartei sprechen sich auch die oppositionellen Linken und die Christdemokraten für vorgezogene Wahlen aus.

Eine generelle Verschiebung der Machtverhältnisse zwischen linksliberalen und konservativen Kräften scheint auf Sloweniens sehr beweglichem Politikparkett zwar nicht in Sicht. Doch Neuwahlen dürften zu einer Flurbereinigung der zersplitterten Parteienlandschaft führen: Statt wie bisher neun könnte das Parlament laut jüngsten Umfragen künftig nur noch sechs Parteien zählen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2020)

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