Sherlock und Dr. Watson, sehr britisch.
Goodbye Britain

Britische Serien: Anarchisch und immer ein bisschen High-Brow

Was die BBC begonnen hat, führen Netflix und Amazon fort. Britische Produktionen gehören zu den ungewöhnlichsten und intelligentesten auf dem Markt – und sind damit erfolgreich.

Wenn ein Doktor, der eigentlich kein Doktor ist, ohne den es das Wort „Doktor“ aber gar nicht gäbe, mit einer Zeitmaschine namens Tardis reist, und dabei gelegentlich Alter, Aussehen und auch das Geschlecht wechselt. Wenn ein Teenager, der gerne Kaninchen und Katzen mordet, sich von einem ruppigen Mädchen überreden lässt, von zuhause abzuhauen und so lange davon träumt, sie auszuweiden, bis er sich in sie verliebt. Wenn Sherlock Holmes dem von obersten Regierungskreisen beschützten Erpresser einfach eine Kugel durch den Kopf jagt und das trocken mit „Ich bin kein Held, ich bin ein hochfunktioneller Soziopath“ kommentiert. Dann, ja dann ist man mitten drin in der britischen Serienwelt. Hier setzt man auf überraschende Plot Twists statt auf Jump Scares, auf Absurdität statt Drama, High-Brow statt Mainstream. Polizeibeamte schauen aus wie Polizeibeamte, Teenager wie Teenager, also noch nicht ganz ausgebacken. Kaum jemand hat perfekte Zähne und 50jährige dürfen schon einmal ordentlich die Stirn runzeln. Für die britische Tradition, Comedy mit Realitätsnähe zu verbinden, wurde mit „Britcom“ sogar ein eigener Begriff erfunden.

Die BBC ist seit Jahrzehnten Garant für herausragende Produktionen: intelligent, ungewöhnlich – und erfolgreich, wo andere vergeblich nach dem Massenmarkt schielten. Sie produzierte die Kult-Serie „Doctor Who“, nämlich von 1963 bis 1989 und jetzt wieder seit 2005, sie bot Monty Python und dem „Flying Circus“ eine Plattform und machte Benedict Cumberbatch als Sherlock zum internationalen Star. Der letzte große Coup der BBC: Sie holte die Schauspielerin und Drehbuchautorin Phoebe Waller-Bridge vom Theater zum Fernsehen. Ihre Serie „Fleabag“ wurde 2019 mit sechs Emmys ausgezeichnet, sie selbst auf Anregung von Daniel Craig hin engagiert, um dem Bond-Drehbuch mehr Pfiff zu verleihen.

Zahllos auch die von der BBC entwickelten Stoffe, die von amerikanischen Sendern übernommen wurden: „The Office“ hat gleiche mehrere Klone, mit dem nach Washington transferierten „House of Cards“ hob Netflix erst so richtig ab. Und was macht Netflix? Die Streamingdienste mischen seither auch in Großbritannien den Markt auf, sind aber schlau genug, sich Kooperationspartner zu suchen. „The End of the F***ing World“ – die groteske Geschichte mit dem Hasen-massakrierenden Teenager – wurde zuerst bei Channel 4 gezeigt. „Good Omens“, wo sich ein gerne Austern im Ritz verzehrender Engel mit einem Dämonen und dem Antichrist himself zusammentut, wurde gemeinsam mit der BBC produziert. Allerdings: „Sex Education“, eine der meist gestreamten Serien weltweit, mit wunderbar britischem Humor, ist eine Netflix-Eigenproduktion. Und Waller-Bridge hat kürzlich einen Vertrag mit Amazon unterschrieben. . .

Das Feuilleton der „Presse“ hat anlässlich des Brexit seine britischen Lieblingsserien gesammel. Von „Fawlty Towers“ bis „Fleabag":

Fawlty Towers: John Cleese als Hotel-Ungustl

Die Dialoge dieser Sitcom sind so legendär, dass sie sogar als Reclam-Heft erschienen sind: Niemand rastet auf so wohlformulierte Art aus wie der von John Cleese gespielte Hotelchef Basil Fawlty, ein manischer Misanthrop, der seine Gäste vergrault, um Menschen aus der upper class zu hofieren, und dessen Versuche, das Hotel zu einem nobleren Ort zu machen, stets zu Katastrophen führen. Harmonisch geht es hier selten zu: „A satisfied customer. We should have him stuffed.“ Cleese schrieb die zwei Staffeln (1975 und 1979) zwischen Monty-Python-Projekten – mit seiner damaligen Frau, Connie Booth, die die vernünftige Kellnerin Polly spielt. (kanu)

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