Mein Freitag

Das warme Bier haben wir uns schöngeredet

Es hat sich schon die ganze Zeit so ein bisschen wie Liebeskummer angefühlt, allerdings in der Phase, in der noch die Hoffnung lebt, dass der andere seinen großen Irrtum erkennt und mit überschwänglichen Liebesschwüren um Vergebung fleht.

Im echten Leben merkt man dann, das gibt es nur im Film. Die Rosen werden nie geliefert.

Im Fall des Brexit-Tauziehens war es ähnlich. Zuerst das Gefühl, dass da etwas schiefgegangen ist, was nur zurechtgerückt werden muss. Dann die Faszination mit dem wechselnden politischen Personal, dem murrenden Unterhaus, dem schnarrenden Speaker. Immer die Gewissheit: Eine Chance gibt es noch, die wollen doch gar nicht wirklich gehen.

Ein wenig diabolisch hat man sich dabei gefühlt, die Liedzeile von „Hotel California“ im Kopf: „You can check out any time you like but you can never leave.“ Zwar geht es dabei um eine Metapher für Drogensucht, und es gibt kaum etwas Nüchterneres als die Europäische Union, aber egal.

Spätestens nach der Wahl im Dezember war aber klar: Die Briten haben sich nichts vorgemacht. Wir haben uns etwas vorgemacht. Denn diese Liebe war immer asymmetrisch. Nein, die Briten lieben uns nicht so wie wir sie. Wie denn auch, wenn es uns ja gar nicht in der Form gibt wie „den Briten“ für uns. Und dieser Brite ist eine Kunstfigur, ein Konstrukt aus Erinnerungen von Sprachferien, Filmen, Reisen, Praktika. Das Britische, das ist ein Song, ein Essen, eine Sehnsucht, eine Erinnerung. Eine persönliche Collage.

Ganz ehrlich: Wir haben uns nur das Beste herausgepickt und vieles verdrängt. Das warme Bier haben wir uns schöngeredet und die Wände, die aus Karton bestehen. Die Unverbindlichkeit mit Freundlichkeit verwechselt. Und den Brexit mit einem Abschied. Auch deshalb wird es keine Rosen geben für eine Versöhnung: Wir wurden gar nicht verlassen, wir waren nie zusammen.

E-Mails an:friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2020)

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