Goodbye Britain

Goodbye!

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Wer glaubt, Großbritannien werde nun in Agonie verfallen, irrt. Jenseits des Ärmelkanals wird ein neuer wirtschaftlicher Konkurrent für die Europäische Union erwachen.

Wie konnte es nur so weit kommen? Die Europäische Union verliert eines ihrer wichtigsten Mitglieder, eine ihrer stärksten Nationen, die zweitgrößte Volkswirtschaft, rund ein Achtel ihrer Bevölkerung, mit Cambridge und Oxford zwei der wichtigsten Universitäten der Welt und des Kontinents, als wichtiges Nato-Land eine europäische Schutzmacht, eines der Vorzeigeländer für vielfach gelungene Integration von Millionen an Einwanderern. Die Union verliert einen ihrer wichtigsten Pfeiler.

Nicht wenige EU-Funktionäre, -Politiker und -Anhänger vertreten nun die Meinung, dass die Harmonisierungs- und vielleicht sogar Zentralisierungsprozesse ohne den ewigen Kritiker und Warner leichter durchgeführt werden könnten. Das mag richtig sein, ist aber auch riskant. Gute Organisationen und Unternehmen zeichnet es aus, dass sie interne Kritik und Debatten nicht nur zulassen, sondern fördern. Führungspersönlichkeiten, selbst Kollegen und Verwandte, die den Widerspruch fürchten, sind ängstlich und nicht selten einfach nur intellektuell überfordert. Zumal durch den Ausstieg Großbritanniens automatisch die Gruppe jener Länder gestärkt wird, die mittels hoher Steuern und Staatsschulden den Wohlfahrtsstaat als Maß der politischen Dinge sehen.

Brückenkopf der transatlantischen Freundschaft

Geopolitisch ist die Schwächung ohnehin enorm: Die Union hing und hängt jammernd und zeternd militärisch am Rockzipfel der USA. Ohne Briten bleiben nur noch Frankreich mit seinen Partikularinteressen und Deutschland, das sich zwar finanziell echte Streitkräfte und eine notwendige Aufrüstung leisten könnte, sich aber nicht traut.

Ohne Großbritannien wird auch das Verständnis für die USA weiter sinken, Europa sich noch weiter entfernen, London war und ist der Brückenkopf der transatlantischen Freundschaft, die in Österreich gern mit der Nato verwechselt wird.

Vor allem werden uns die Briten auch ideell fehlen: London war und ist für Generationen die westliche Metropole schlechthin. Die englische Kultur ist dank Sprache und ihrer Niederschwelligkeit ein Herzstück europäischen Lebens. Großbritannien war das Land Europas, das als einziges dem Nazi-Terror Adolf Hitlers trotzte und widerstand, das sich seine Unabhängigkeit eisern und bis zur Sturheit bewahrte.

Wer glaubt, Großbritannien werde nun in politische Agonie verfallen und wirtschaftlich daniederliegen, irrt. Die Briten werden das tun, was sie immer in schwierigen Zeiten getan haben: Verzicht in Kauf nehmen und wirtschaftlich durchstarten. Die Steuern werden fallen, die Investoren (wieder oder weiterhin) kommen. Jenseits des Ärmelkanals wird ein neuer wirtschaftlicher Konkurrent für die Union erwachen.

Es ist ein schwarzer Freitag. Mit dieser Ausgabe verabschieden wir uns. Goodbye Great Britain!

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2020)

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