Coronavirus

WHO ruft internationalen Gesundheitsnotstand aus

In ganz China werden verstärkt Desinfektionsmaßnahmen ergriffen (hier in einem Stadtteil von Qingdao, Provinz Shandong).
In ganz China werden verstärkt Desinfektionsmaßnahmen ergriffen (hier in einem Stadtteil von Qingdao, Provinz Shandong).(c) REUTERS (STRINGER)
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Am Donnerstagabend rief die Weltgesundheitsorganisation den Gesundheitsnotstand aus. Die Zahl der Toten und Erkrankten stieg zuletzt rasant an. Bis ein Gegenmittel gefunden ist, kann es dauern. Inzwischen sind Chinesen im Ausland zunehmend mit Unmut konfrontiert.

Peking/Wien. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat wegen der zuletzt rasanten Zunahme von Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus in China am Donnerstagabend eine „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“ ausgerufen. Damit sind konkrete Empfehlungen an Staaten verbunden, um die Ausbreitung über Grenzen hinweg möglichst einzudämmen.

Noch sei die Zahl der Infektionen außerhalb Chinas relativ gering, sagte WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus am Donnerstagabend. Aber man wisse nicht, welchen Schaden das Virus in einem Land mit einem schwachen Gesundheitssystem anrichten würde. Der Schritt sei allerdings nicht als Ausdruck von Misstrauen gegen China zu verstehen, betonte Adhanom.

Angesichts einer Zahl von 171 verstorbenen Patienten und über 7700 vom Coronavirus Infizierten (Stand: Donnerstagabend) hält die weltweite Alarmstimmung unvermindert an. Dabei wird der Höhepunkt der Epidemie frühestens in einer Woche erwartet. Inzwischen gibt es in allen chinesischen Provinzen Infizierte – zuletzt wurden erste Fälle aus Tibet gemeldet – und in mindestens 20 Ländern gibt es Coronavirus-Erkrankungen. Die meisten Infizierten sind Reisende aus der Volksrepublik, doch kommt es inzwischen auch außerhalb Chinas zu Ansteckungen. Auch in Österreich hatte es am Donnerstag erneut zwei Verdachtsfälle gegeben.

Als nach wie vor „schwierig und schrecklich“ bezeichnete der chinesische Regierungschef Li Keqiang die Lage. Er forderte die Wissenschaftler des Landes auf, den Ursprung des Virus zu finden, damit ein Impfstoff gegen die Lungenkrankheit entwickelt werden könne. Fünf Erregerstämme seien bisher isoliert worden, zwei sollen sich gut für die Entwicklung eines Impfstoffs eignen, verlautete aus China. Rund um den Globus wird mit Hochdruck ein Impfstoff gegen das neue Virus gesucht. Doch schwanken die Schätzungen der Virusexperten über die Dauer der Forschung und Entwicklung von drei Monaten bis zu drei Jahren.

Entwarnung am Kreuzfahrtschiff

Immer mehr Fluglinien haben ihre Flüge von und nach China eingestellt, um so ein Einschleppen des Virus zu verhindern. Gleichzeitig schicken immer mehr Länder Sonderflugzeuge in die Krisenprovinz Hubei, um dort arbeitende Staatsbürger auszufliegen. Japan holte diese Woche 206 Staatsangehörige aus Wuhan, Hauptstadt Hubeis und Ursprungsherd des Coronavirus, heim, drei von ihnen wurden positiv auf das Virus getestet. Auch sieben Österreicher sollen noch vor dem Wochenende aus Hubei ausgeflogen werden, verlautete aus dem Außenministerium in Wien.

Entwarnung gibt es indes für die rund 6000 Passagiere - darunter 36 Österreicher - eines Kreuzfahrtschiffs nördlich von Rom: Am Donnerstag hatte es an Bord des der „Costa Smeralda“ im Hafen Civitavecchia noch geheißen: „Niemand darf von Bord gehen!“ Nun wurde das chinesische Paar, das am 25. Jänner im ligurischen Hafen Savona an Bord gegangen war und über Fieber und Atembeschwerden klagte, negativ auf das Virus getestet.

Unterdessen sind chinesische Touristen wie auch chinesische Arbeiter im Ausland wegen der Virusepidemie verstärkt mit Unmutsäußerungen konfrontiert. Dies gilt vor allem für die nordost- und südostasiatischen Staaten. Zuletzt tauchten in einigen Restaurants in Südkorea und Japan Schilder an der Tür auf, auf denen zu lesen war: „Kein Eintritt für Chinesen!“ oder „Chinesen, raus!“ In Thailand, einem Lieblingsziel chinesischer Urlauber, bekommen sie zu hören: „Hört auf, Fledermäuse zu essen. Kein Wunder, dass aus China neue Seuchen kommen.“

Unsensible Berichterstattung

Freilich ist die Einstellung in Südostasien gegenüber der Volksrepublik schon seit Langem kritisch: Über 60 Prozent der höher Gebildeten in Südostasien misstrauen China nach einer neuen Umfrage, halten es für eine „revisionistische Macht, die Südostasien in ihre Einflusszone zwingen will“.

Wenig Sensibilität zeigt sich auch in Europa: Die französische Regionalzeitung „Courrier Picard“ knallte „Gelber Alarm“ als Schlagzeile auf ihre Titelseite. Es ist dies eine Anspielung auf „Gelbe Gefahr“, mit der im 19. Jahrhundert die europäischen Kolonialmächte die Ressentiments gegen ostasiatische Völker befeuert hatten. Die Zeitung entschuldigte sich, nachdem eine Welle der Kritik aufgebrandet war.

Hingegen entschuldigte sich die dänische Zeitung „Jyllands-Posten“ nicht für eine Karikatur, in der die fünf Sterne in der chinesischen Staatsflagge durch Virussymbole ersetzt worden waren. „Eine Beleidigung unseres Volkes und unserer Flagge“, schimpften chinesische Vertreter. Die Zeichnung stehe in der dänischen Tradition der Meinungsfreiheit, konterte die Zeitung. (Bloomberg, Reuters DPA)

ZWEI VERDACHTSFÄLLE

Österreich. Am Donnerstag beschäftigten sich die einheimischen Gesundheitsbehörden mit zwei neuen Coronavirus-Verdachtsfällen: einer in Klagenfurt-Land (ein Mann, der vor Tagen in Shanghai unterwegs gewesen war) und einer in Wien (eine Philippinin, die am 20. Jänner aus Hongkong kommend in Österreich eingereist war).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2020)

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