Lernanalysen

Lernverhalten erfassen, Angebot optimieren

Mit dem Einzug digitaler Lernformate stehen immer mehr Daten über das Studierverhalten zur Verfügung, die zur Analy-se genutzt werden können.
Mit dem Einzug digitaler Lernformate stehen immer mehr Daten über das Studierverhalten zur Verfügung, die zur Analy-se genutzt werden können.(c) Getty Images/iStockphoto (Intellistudies)
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Daten über Nutzung von Online-Learning sollen Erfolge erhöhen.

Learning Analytics beschäftigt sich mit  „Analyse, Darstellung und Interpretation von Daten aus Lehr- und Lernsettings mit dem Zweck, dass Lernende ihr Lernen unmittelbar verändern können“. So die Definition des Forums Neue Medien in der Lehre Austria (FNMA). Mitte Dezember 2019 hat eine entsprechende Arbeitsgruppe des Forums, an der 14 Experten österreichischer Hochschulen beteiligt waren, ein Whitepaper zum Thema herausgebracht. „Durch das Aufkommen von Big Data begann auch das Nachdenken über Systeme, die die Datenlage aufbereiten können“, sagt Martin Ebner, Leiter der Arbeitsgruppe und Präsident des FNMA für die Universitäten. Hierzulande stecke man damit noch in den Kinderschuhen, auch, weil man sich erst einmal überlegen müsse, was man analysieren möchte.

Über die Chancen und Risken von Learning Analytics in der österreichischen Hochschullehre hat Eva Kaczko im Dezember 2018 eine Masterarbeit an der Universität Innsbruck abgeschlossen. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Organisation und Lernen sagt: „Jeder, der online lernt, hinterlässt Datenspuren. Bei der Aufbereitung dieser Daten werden ethische Grundsätze, der Datenschutz und ein pädagogisch sinnvolles Vorgehen von immanenter Bedeutung sein.“ Ihrer Ansicht nach können durch Learning Analytics aus Online-Phasen Informationen für die Typisierung von Lernenden erhoben werden. Die Frage der Zukunft werde sein, was man mit den Informationen mache. Und sie weist darauf hin, dass Learning Analytics im angloamerikanischen Raum eher dazu herangezogen wird, die Lernprozesse zu überwachen und sogenannte Risikostudenten – also jene mit hoher Abbruchwahrscheinlichkeit – zu identifizieren, anstatt pädagogisch relevante Interventionen durch Lehrende zu setzen –  was eigentlich der primäre Zweck war.

Hochschulen aufgeschlossen

Die Arbeitsgruppe der FNMA schätzt die Aufgeschlossenheit für Learning Analytics an den heimischen Hochschulen grundsätzlich hoch ein. Dass dieses Thema als Werkzeug zur Verbesserung der Lehrvermittlung und Studienorganisation auch im gesamtösterreichischen Universitätsentwicklungsplan verankert ist, unterstreicht seine Bedeutung. Allerdings thematisiert die Arbeitsgruppe auch die Herausforderungen wie die von Kaczko angesprochenen ethischen Aspekte: „Der kulturelle Einfluss auf Studierende ist nicht zu unterschätzen, fließt aber in die aktuellen Überlegungen noch zu wenig ein“, sagt Hans-Peter Steinbacher, Präsident des FNMA für den Bereich Fachhochschulen und Leiter des eLearning-Zentrums an der FH Kufstein. Seiner Einschätzung nach gibt es Learning Analytics schon seit jeher: „Lehrende haben immer schon Präsenzphasen durch Aufzeichnungen kontrolliert.“ Durch den Umgang mit Big Data könne man nun die Erkenntnisse detaillierter und schneller auswerten. Die IT-Struktur ist daher ein Punkt auf der Liste der Herausforderungen, die die Arbeitsgruppe benennt, nämlich insofern, ob man die hochschulinterne oder externe Systeme nutzt. Auch die Fragen, welche Formen der Informationsvermittlung an die Lernenden und welche Visualisierungsmethoden für welchen Zweck geeignet sind, ist künftig zu diskutieren.

Start von Pilotprojekten

In einem nächsten Schritt wollen die Hochschulen Pilotprojekte starten. Vereinzelt gibt es bereits Initiativen. So wurden Learning-Analytics-Applikationen für den Schulbereich entwickelt, um einerseits Erfahrungen mit der Datenanalyse zu sammeln und andererseits die Potenziale zu erproben. Die Applikationen können direkt bei Schülern zur Anwendung kommen, die ihre Leistung visualisiert bekommen. Lehrende oder auch Studierende sind in der Lage, sich jederzeit einen Überblick über den Lernerfolg zu verschaffen. Ein anderes Projekt widmete sich Lernmanagementsystemen (LMS). Hier wurde der persönliche Bearbeitungsstatus beziehungsweise die Erfolgsquote von gelösten Übungsfragen im Vergleich zum Schnitt der Mitstudierenden angezeigt. Die Auswertung war bei Studierenden beliebt und motivierte zum Lösen von noch mehr Aufgaben.

„Die Beschäftigung mit Learning Analytics ist stark interdisziplinär geprägt. Daran arbeiten Ethiker, Datenschützer, Bildungsinformatiker und Psychologen“, sagt Ebner. „In einer idealen Welt helfen entsprechende Systeme, dass Lernende ihren Wissensgewinn selbst besser einschätzen und ihre Schwachstellen identifizieren können.“ Ob es in weiterer Folge auch zu Handlungsempfehlungen kommen wird, schätzt er kritisch ein: „Da würden wir in Voraussagen gehen, die nie exakt sein können.“

Die Arbeitsgruppe spricht sich zudem dafür aus, alle Beteiligten aktiv in den Prozess einzubinden, vor allem die Studierenden.

Auf einen Blick

Learning Analytics nutzt Daten aus dem Lernbetrieb, um die Wissensvermittlung zu optimieren. Das Feld erhält  mit den Daten aus Online-Kursen und neuen Analysemöglichkeiten (Big Data) neue Aktualität. Hierzulande noch im Anfangsstadium wird Learning Analytics im angloamerikanischen Raum schon genutzt, um Studenten mit Drop-out-Risiko zu identifizieren. Neben der technischen Infrastruktur gehören auch Fragen der Ethik und des Datenschutzes zu den Herausforderungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2020)

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