"Zwangsbeglückung": Wien kritisiert Ziffernnotenpflicht

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Eltern und Lehrer seien unglücklich, sagt der rote Bildungsstadtrat. Er hofft auf die Grünen in der Regierung. Faßmann bleibt aber hart.

Wenn im Osten des Landes die Semesterferien beginnen, bedeutet das auch: Es gibt Noten. Dieses Jahr für mehr Schüler als zuletzt. Denn wegen einer Reform, die noch aus der Feder der türkis-blauen Regierung stammt, müssen heuer auch alle Drittklässler schon im Halbjahreszeugnis Ziffern stehen haben. Dagegen gibt es nicht nur in Vorarlberg Widerstand („Die Presse“ berichtete). Auch in Wien sind nicht alle damit glücklich.

„Für viele in der Volksschulschule wird es das erste Mal Noten im Zeugnis geben, teilweise obwohl dies von der Schulgemeinschaft vor Ort nicht gewünscht wurde“, sagt der rote Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky. „Diese Zwangsbeglückung war laut Bildungsminister Faßmann seine politische Entscheidung ohne wissenschaftliche Fundierung.“ Er hoffe, dass sich in der neuen Koalition neue Mehrheiten für die Stärkung der Schulpartnerschaften finden.

Faßmann diskutiert nicht

Davon dürfte allerdings nicht auszugehen sein – auch wenn die Grünen Noten in der Volksschule nach wie vor ablehnen, wie Bildungssprecherin Sibylle Hamann zuletzt der „Presse“ sagte. „Die beschlossene Rückkehr zu Ziffernnoten bleibt“, heißt es aus dem Bildungsministerium. Eine neue Diskussion auf Regierungsebene habe Minister Heinz Faßmann (ÖVP) bereits ausgeschlossen. „Die Ziffernnoten sind eine wichtige Rückmeldung an Kinder und Eltern.“

Gleichzeitig gehe es nicht um ein Entweder-Oder. „Die Note steht nicht alleine“, sagt der Minister. „Eine Note ist vielschichtiger als eine Zahl. Daher habe ich immer gesagt, es braucht eine zusätzliche verbale Beurteilung." Zusätzlich zu den Ziffernnoten – die seit diesem Schuljahr ab dem Jahreszeugnis der zweiten Klasse verpflichtend sind, bisher war das erst nach der dritten Klasse der Fall – sind ebenfalls verpflichtend verbale Leistungsbeurteilungen vorgesehen.

Schlechte Stimmung an Schulen

Das wiederum geht den Lehrervertretern massiv gegen den Strich. Das sei ein enormer bürokratischer und organisatorischer Aufwand, der das Ergebnis nicht rechtfertige, sagte der oberste Gewerkschafter Paul Kimberger diese Woche zur „Presse“. Die Stimmung an den Volksschulen sei angesichts der Notenreform nicht gut. Er drängte auf mehr Autonomie. „Die Sehnsucht danach ist in den Volksschulen riesengroß.“

Auf einen Blick

Nur noch bis zum Semesterzeugnis der zweiten Klasse können Schulen autonom entscheiden, ob sie mit Ziffernnoten oder alternativ beurteilen wollen. Bei Ziffern muss zusätzlich verbal beurteilt werden, bei alternativer Beurteilung können Eltern zusätzlich Noten verlangen. Ab Ende der zweiten Klasse sind Ziffern dann verpflichtend, zusätzlich muss es auch noch eine verbale Beurteilung geben, 60 Pilotschulen testen aktuell einen Bewertungsraster. Bisher konnten Schulen bis inklusive der dritten Klasse autonom entscheiden.

(beba)

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