Mikroelektronik

Sichere Software, ungestörte Bauteile

In der Mikroelektronik, wie diesem Prototypen der TU Graz für einen Sensor in Industrieanlagen, liegen verschiedenste Komponenten eng beieinander und dürfen sich dabei nicht gegenseitig stören.
In der Mikroelektronik, wie diesem Prototypen der TU Graz für einen Sensor in Industrieanlagen, liegen verschiedenste Komponenten eng beieinander und dürfen sich dabei nicht gegenseitig stören.(c) Oliver Wolf
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An der TU Graz arbeiten zwei neue Laboratorien der Silicon Austria Labs an der Zuverlässigkeit und Sicherheit von elektronischen Systemen für Alltag und Industrie.

Man nutzt sie mit jedem Wisch auf seinem Handy oder Tablet, sie strahlt aus den allgegenwärtigen Bildschirmen in Wohnzimmern, Büros oder U-Bahnhöfen, selbst Autos, Kühlschränke oder Kaffeemaschinen kommen längst nicht mehr ohne sie aus: Mikroelektronik ist aus modernen Gesellschaften nicht mehr wegzudenken.

Immer kleiner werden die Bauteile, auf immer engerem Raum müssen sie nebeneinander Platz finden und dabei immer größeren Leistungsansprüchen genügen. Eine Entwicklung, die Ingenieure an ihre Grenzen bringt, erzählt Werner Luschnig, Geschäftsführer des Forschungszentrums Silicon Austria Labs (SAL). „Dabei tritt ein Problem auf, das eigentlich so alt ist wie die Elektrotechnik: die Störung der einzelnen Komponenten durch elektromagnetische Abstrahlung. Durch die Dichte, mit der die Bauteile inzwischen in einem Gerät integriert werden und die Koexistenz unterschiedlichster Systemteile wird die elektromagnetische Verträglichkeit (s. Lexikon, Anm.) ein immer brisanteres Thema.“

Selbst in einfachsten Smartphones befinden sich heutzutage Dutzende unterschiedlicher Komponenten. Neben Hauptprozessor, Arbeits- und Gerätespeicher müssen in einem hosentaschenverträglichen Format auch noch der Touchscreen, Kameras, Lautsprecher, Mikrofone, Akku, Kabel und Sensoren sowie eine Vielzahl anderer Teile Platz finden – und das, ohne sich gegenseitig zu stören.

Modellieren statt neu gestalten

„Oft müssen solche Produkte mehrmals umgestaltet werden, bevor sie elektromagnetisch verträglich und produktionsreif sind“, so Luschnig. „Wir wollen in Graz nun an Methoden forschen, mit denen wir schon in der Konzeptphase durch Simulationen und Modellierung die Produkte so gestalten, dass sich ihre Bauteile nicht gegenseitig stören.“ Die sei das erklärte Ziel eines der beiden SAL-Laboratorien, die vor Kurzem an der Technischen Universität Graz gegründet wurden.

Das zweite Labor, das ebenfalls zu Jahresbeginn den Betrieb aufgenommen hat, arbeitet auch an der Verbesserung elektronischer Systeme – hier geht es aber nicht um physische Bestandteile, sondern um Algorithmen. Luschnig: „Je mehr Entscheidungen wir an autonome Systeme abgeben – sei das nun in einem selbstfahrenden Auto, einem Haushaltsgerät oder einem Pflegeroboter – umso zuverlässiger muss die Software funktionieren. Dass sich das System aufhängt und neu gestartet werden muss, wie das bei Smartphones oder PCs durchaus vorkommen kann – und oft auch vom Benutzer toleriert wird –, ist für autonome Systeme nicht akzeptabel.“

Bei einem selbstfahrenden Auto etwa, das unverhofft bremsen muss, dürfe so etwas auf keinen Fall geschehen, veranschaulicht der Ingenieur die Bedeutung einer zuverlässigen Software. Doch beim Programmieren von Algorithmen sind Fehler nur schwer auszuschließen, was sich an den endlosen Updates sämtlicher Apps und Programme, die ein durchschnittlicher Benutzer auf seinen elektronischen Geräten installiert hat, unschwer erkennen lässt.

Um dennoch eine größtmögliche Zuverlässigkeit zu erreichen, arbeitet das Dependable Embedded Systems Lab mit künstlicher Intelligenz, erklärt Luschnig: „Während der Softwareentwicklung setzen wir Methoden des ,Machine Learnings‘ ein. Dabei werden digitale neuronale Netzwerke genutzt, die wie ein Gehirn ohne Gedächtnis funktionieren. Die spielen eine große Anzahl unterschiedlichster Situationen durch und lernen dabei, die richtige Entscheidung zu treffen.“

Für die Finanzierung der beiden Laboratorien sind in den kommenden vier Jahren je rund 1,5 Millionen Euro vorgesehen, die von den beiden Forschungspartnern, den SAL und der TU Graz getragen werden. Das sei aber nur ein kleiner Teil der Silicon Austria Labs, deren Haupteigentümer das Technologieministerium ist, so Luschnig. „Insgesamt haben wir bisher 110 Forscher bei uns angestellt, bis 2023 wollen wir auf knapp 400 wachsen. Wir wollen mit unserer Forschung auf Weltniveau einen Hebel setzen, um Österreichs Wettbewerbsfähigkeit in der Schlüsseltechnologie Mikroelektronik zu garantieren.“

Lexikon

Elektromagnetische Verträglichkeit bezeichnet die Fähigkeit eines technischen Geräts, seine Umgebung nicht durch ungewollte elektrische oder elektromagnetische Effekte zu stören. Es wird zwischen dynamischen Störungen, die von Strom führenden Leitern und statischen Störungen, die von Magneten oder Energiespeichern ausgehen, unterschieden. Vermeiden lassen sich solche Störungen etwa durch Abschirmung, Filterung oder Anpassung der Frequenzen elektrischer Signale.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2020)

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