An Chefrichter John Roberts hing die Entscheidung, den Prozess gegen den Präsidenten durch eine weitere Zeugenvorladung zu verlängern.
Es war eine Parallelaktion, was sich am Freitag zwischen Kiew und Washington abspielte. US-Außenminister Mike Pompeo holte seinen kürzlich wegen der Iran-Krise abgesagten Besuch bei Wolodymyr Selenskij, dem ukrainischen Präsidenten, nach. Angesichts der Vorgänge in Washington, der womöglich unmittelbar bevorstehenden Entscheidung im Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Donald Trump, war die Stippvisite nicht ohne Brisanz.
Pompeo hatte laut Aussage des Ex-Sicherheitsberaters John Bolton Trump im Sommer gemeinsam mit hochrangigen Mitarbeitern mehrfach bedrängt, die blockierte Militärhilfe für die Ukraine freizugeben. Der US-Präsident hatte zudem angeordnet, seinen Vize Mike Pence nicht zur Amtseinführung Selenskijs im Mai 2019 nach Kiew zu schicken, um den Newcomer im Präsidentenpalast unter Druck zu setzen und zur Kooperation mit Washington zu bewegen.
Schallenberg bei Pompeo
Bedingung im sogenannten Quidproquo war die Einleitung einer Untersuchung gegen Ex-Vizepräsident Joe Biden, seinen Sohn und den Energiekonzern Burisma, wo Hunter Biden einen Aufsichtsratsposten bekleidet hatte. Dies ist der zentrale Vorwurf der Demokraten im Impeachment, unterstützt von zahlreichen Zeugen. Pompeo dementierte, dass die Ermittlungen an einen Besuch Selenskijs im Weißen Haus geknüpft waren. Selenskij betonte, die Beziehungen seien keineswegs gestört. Er trat dafür ein, die USA stärker in eine Friedenslösung in der Ostukraine einzubinden. Die USA seien die wichtigsten Verbündeten Kiews.
Nach der Rückkehr von seiner Reise nach Weißrussland und Zentralasien wird Pompeo am Mittwoch Österreichs Außenminister, Alexander Schallenberg, zu einem bilateralen Gespräch treffen – vier Wochen nach Schallenbergs Wiederbestellung als Ressortchef. Zuvor ist in New York ein Treffen mit UN-Generalsekretär António Guterres avisiert, am Donnerstag ein Frühstück mit religiösen Führern und Präsident Trump.
Der US-Besuch des Außenministers findet in turbulenten Zeiten statt – zu Beginn der Vorwahlsaison bei den Demokraten in Iowa und New Hampshire, nach der Präsentation des Nahost-Friedensplans im Weißen Haus und kurz nach Trumps Rede zur Lage der Nation vor dem Kongress, in der all dies wohl zur Sprache kommen wird, inklusive des Impeachments.
Mehrheit am seidenen Faden
In der Nacht auf Samstag stand im Senat nach kaum zwei Wochen das Ende des Amtsenthebungsverfahrens zur Debatte. Die Republikaner wollten kurzen Prozess machen mit der Anklage. Sie forcieren einen Freispruch Trumps wegen Nichtigkeit. Twitter-Tiraden und Triumphgeheul aus dem Weißen Haus wären die Folge. Trumps Parteifreunde waren vom Kalkül geleitet, das Risiko zu minimieren, das eine Anhörung von Zeugen wie Bolton oder Stabschef Mick Mulvaney unweigerlich nach sich ziehen würde. Adam Schiff, der demokratische Chefankläger, appellierte an die Republikaner, einen fairen Prozess zuzulassen.
Die Mehrheit der Republikaner hing an einem seidenen Faden. Mitt Romney und zwei Kolleginnen neigten dazu, mit den Demokraten für die Vorladung weiterer Zeugen zu stimmen. Für eine Mehrheit war noch eine Stimme nötig. Senator Lamar Alexander aus Tennessee signalisierte jedoch, er werde gegen den Antrag votieren. „Die Wähler sollen das Wort haben“, argumentierte er. Bei einem Patt könnte der Vorsitzende, John Roberts, Chefrichter des Höchstgerichts, das Zünglein an der Waage sein.
Auf Trump wartet womöglich neues Ungemach. Die Autorin E. Jean Caroll will mittels DNA-Tests den Vorwurf der versuchten Vergewaltigung gegen Trump aus den 1990er-Jahren belegen, als er sie in einer Umkleidekabine des Kaufhauses Bergdorf Goodman sexuell belästigt haben soll.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2020)